2.11.2024
Industrieunternehmen: Abwanderungstendenzen und Standortdebatte in Deutschland

Jobabbau: Zunehmende Firmenfrustration am Standort Deutschland

Die deutsche Wirtschaft steht vor großen Herausforderungen. Immer mehr Unternehmen sehen sich gezwungen, Stellen abzubauen und Investitionen ins Ausland zu verlagern. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) am 02.11.2024 berichtete, wollen 45 Prozent der von EY befragten Industrieunternehmen neue Standorte außerhalb Deutschlands errichten. Im Gegensatz dazu planen nur 13 Prozent Investitionen im Inland.

Die EY-Studie, für die im August und September Vorstände und Topmanager von 115 deutschen Industrieunternehmen befragt wurden, zeigt ein alarmierendes Bild: 29 Prozent der Unternehmen planen, Arbeitsplätze in Deutschland abzubauen und ins Ausland zu verlagern. Lediglich 4 Prozent planen den umgekehrten Weg.

Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. Die schwache Konjunktur und die düsteren Prognosen lassen 63 Prozent der befragten Unternehmen einen Stellenabbau als sehr wahrscheinlich oder sogar unausweichlich erscheinen. Doch nicht nur die wirtschaftliche Lage im Inland spielt eine Rolle. Wie die F.A.Z. weiter ausführt, suchen viele Unternehmen im Ausland bessere Rahmenbedingungen, da sie in Deutschland mit regulatorischen und politischen Hürden zu kämpfen haben.

Die Bürokratie wird von vielen Unternehmern als große Belastung empfunden. Jan Brorhilker, Chef des Geschäftsfelds Wirtschaftsprüfung bei EY, wird in der F.A.Z. mit den Worten zitiert: „Die Industrie erstickt in einem Dschungel aus Vorschriften und Reporting-Vorgaben.“ Auch wenn die politischen Ziele in Sachen Dekarbonisierung und Wärmewende gut gemeint seien, herrsche in den Behörden vor Ort oft Unklarheit und Unkenntnis. Hinzu komme der Fachkräftemangel in den Behörden der Bundesländer und Kommunen. Brorhilker fordert daher eine Entbürokratisierung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren.

Diese Einschätzung wird durch den Jahresmonitor der Stiftung Familienunternehmen bestätigt, für den das Ifo-Institut eine deutlich größere Anzahl von Unternehmen befragt hat. Laut Ifo-Zahlen haben 45 Prozent der 1693 befragten Unternehmen aufgrund bürokratischer Hürden Investitionen aufgeschoben. Weitere 38 Prozent sehen sich auch in den kommenden zwei Jahren dazu gezwungen. Sowohl das Ifo-Institut als auch die Stiftung Familienunternehmen sehen in der ausufernden Bürokratie einen Grund dafür, dass deutsche Unternehmen verstärkt im Ausland investieren. Knapp 18 Prozent der Unternehmen planen bereits eine solche Verlagerung, wobei der Anteil bei größeren Unternehmen mit Umsätzen über 50 Millionen Euro besonders hoch ist.

Die Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland schürt die Angst vor einer Deindustrialisierung in Deutschland. Symbolisch dafür steht die Ankündigung des Hausgeräteherstellers Miele, weltweit 2000 Stellen abzubauen und 700 Stellen zu verlagern, wie die F.A.Z. berichtet. Ab 2027 sollen alle Haushaltswaschmaschinen in Polen montiert werden. Miele begründet die Umstrukturierungen mit einem Nachfrageeinbruch und gestiegenen Kosten.

Auch andere Unternehmen wie der französische Zughersteller Alstom und der Chemiekonzern BASF haben Ankündigungen zu Stellenabbau und Verlagerungen gemacht. Während BASF in China Milliarden in eine neue Fabrik investiert, werden am Stammsitz in Ludwigshafen energieintensive Anlagen stillgelegt. Als Gründe werden die hohen Energiepreise in Deutschland und das bürokratische Umfeld genannt.

Der Stellenabbau in der Industrie hat weitreichende Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt und den Wohlstand des Landes. Wie Jens Südekum von der Universität Düsseldorf gegenüber der Tagesschau erklärte, verlagert sich die Beschäftigung zunehmend in Bereiche mit niedrigeren Löhnen, wie Gesundheit, Pflege und öffentlicher Dienst. Der Verlust von gut bezahlten und innovativen Industriearbeitsplätzen wirkt sich negativ auf Steuereinnahmen, Sozialkassen und den gesamten Wohlstand aus.

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) spricht von einem alarmierenden Stellenabbau in Deutschland und nennt Beispiele wie die Deutsche Bahn, ZF, Continental, SAP und Bosch. Auch zahlreiche mittelständische Unternehmen bauen Personal ab. Die INSM fordert daher Maßnahmen zur Sicherung von Arbeitsplätzen.

Die DIHK sieht die Rahmenbedingungen für die industrielle Produktion in Deutschland so schlecht wie nie zuvor. In einer Umfrage wurden zunehmende bürokratische Auflagen, hohe Energiekosten und langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren als Hauptprobleme genannt. Die DIHK fordert eine rasche Umsetzung des „Pakts für Beschleunigung“ und ein deutlich ausgeweitetes Bürokratieentlastungsgesetz.

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