Zwiespältige Erinnerungen an die Vergangenheit löst die Wandertafel hoch über dem Thunersee bei uns aus. Wir sind nach Beatenberg hinaufgefahren, dann zu den Hängen unter dem Niederhorn weitergewandert und betrachten jetzt die verschneiten Viertausender des Berner Oberlandes, das alpine Dreigestirn von Eiger, Mönch und Jungfrau, all die Zacken, Grate, Felsbollwerke, die sie einrahmen. Und plötzlich fällt unser Blick auf einen Wegweiser in Form eines stilisierten Buches mit der Aufschrift „Erich von Däniken-Weg“. Es ist sehr lange her, dass wir mit dem Mann zu tun hatten.
Im Religionsunterricht war das, in jenen antiautoritären Jahren, als die katholische Kirche auf ihrem nachkonziliaren Weg schlingerte und die Religionslehrer ihr Heil bei den hochpubertären Horden – wir waren auch noch eine reine Jungenklasse – mit Themen wie Wehrdienstverweigerung, Rauschgift, Abtreibung suchten. Und eben mit dem Buch „Erinnerungen an die Zukunft“.
Das war Erich von Dänikens Bestseller aus dem Jahr 1968, in dem er alles, was sich so findet an Staunenswertem und Rätselhaftem auf der Welt, von den Pyramiden über die Statuen der Osterinsel bis zu den Nazca-Linien, dem Einfluss von Außerirdischen zuschreibt. Und sie sollen laut Däniken auch noch mit ihren Genen der Entwicklung der Menschheit ganz ohne evolutionäre Langzeitphasen oder Umwege auf die Sprünge geholfen haben.
Das ist, im Kern, die Däniken-Gedankenwelt, der schnell weitere Bestseller wie „Zurück zu den Sternen“ oder „Aussaat und Kosmos“ nachgeschoben wurden. Es gab viel Medienspektakel, aber ernst genommen hat die wissenschaftliche Welt den Mann nicht, der nie einen Beweis vorlegen konnte und von der Gesellschaft für kritisches Denken das „Goldene Brett vorm Kopf“ verliehen bekam – für den „erstaunlichsten pseudowissenschaftlichen Unfug des Jahres“.
Die Erde ist ihm nicht genug: Erich von Däniken hat Dutzende Bücher über außerirdisches Leben geschrieben. Philipp von Ditfurth
Ausgerechnet dieser hoch umstrittene Mann wird in der braven, biederen Schweiz mit einem eigenen Wanderweg geehrt? Das muss man den Tourismusverantwortlichen von Beatenberg lassen: Locken können sie die Besucher schon, neugierig wird bei diesem Namen jeder, und das ist ja auch der Sinn des Weges. Im Jahr 1995 sind Erich von Däniken und seine Frau nach Beatenberg gezogen und ließen Marcel Murri, den damaligen Chef des Beatenberg-Tourismus, überlegen, wie man mit der Prominenz des berühmten Neubürgers den Fremdenverkehr beleben könnte.
Zuerst sprach man über ein Museum, entschied sich dann für eine einfachere Variante: einen Weg durch das Dorf mit Informationstafeln, der in zwei Stunden zu bewältigen ist. Und da man sich in der Schweiz ungern lumpen lässt, glänzt die Signalisation, wie man hier so sagt, im schicken neuen Design, nachdem das Wetter die Erstversion aus dem Jahr 2001 unansehnlich gemacht hatte.
Beatenberg rühmt sich, das längste Dorf Europas zu sein. Das muss man nicht als unumstößliche Tatsache abspeichern, den Titel beanspruchen auch andere Orte für sich, und es ist ja auch die Frage, mit welchen Kriterien man misst. Doch die Lage des Dorfes beschreibt die Eigenwerbung treffend: Der gewaltige Hang, der sich vom Ufer des Thunersees bis zu den Gipfeln des Berner Oberlandes hinaufzieht, lehnt sich nach einem Drittel leicht für eine Geländeterrasse zwischen steilen Kalkbändern zurück. Sie bildet einen idealen Sonnenbalkon für eine Siedlung, deren Häuser sich auf einer Länge von sieben Kilometern aneinanderreihen.
Der „Umstand, dass bisher kein Astronaut Gott begegnet ist, widerlegt nicht seine Existenz“, heißt es in einem Aphorismus des Physikers Achim Reichert. Ohne Gott gäbe es „weder den Astronauten noch die physikalischen Gesetze, die er sich zunutze macht.“ So ähnlich könnte man auch die Argumentation von Erich von Däniken zusammenfassen. Denn Däniken glaubt an Gott. Nur eben nicht an den Gott, den die Bibel beschreibt. Däniken glaubt an Außerirdische, die den Menschen erschaffen haben. Und an deren Wiederkehr. „Ich bin überzeugt, dass eines Tages wieder ein Raumschiff landen und sich herausstellen wird, dass meine Thesen richtig waren“, sagte er der FAZ im Jahr 2024.
Der Erich-von-Däniken-Weg führt an 13 Stationen vorbei, die mit Schautafeln und Hörstationen ausgestattet sind. An jeder Station wird ein Thema aus Dänikens Werk aufgegriffen, etwa „Die Götter waren Astronauten“, „Zeichen am Himmel“ oder „Die Prophezeiungen von Erich von Däniken“. Die Texte sind sachlich gehalten und verzichten auf reißerische Formulierungen. Sie beschränken sich darauf, Dänikens Thesen darzustellen und die Argumente zu nennen, mit denen er sie zu belegen versucht. Ob man sich diesen Argumenten anschließen mag oder nicht, muss jeder Besucher selbst entscheiden.
Der Weg ist nicht nur für eingefleischte Däniken-Fans interessant. Auch wer sich kritisch mit dem Thema Außerirdische auseinandersetzen möchte, findet hier reichlich Stoff zum Nachdenken. Und wer einfach nur die schöne Aussicht genießen möchte, ist auf dem Erich-von-Däniken-Weg ebenfalls richtig. Denn der Weg führt durch eine herrliche Landschaft mit Blick auf den Thunersee und die Berner Alpen.
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