Die deutsche Wirtschaft steht weiterhin vor großen Herausforderungen. Wie der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, auch bekannt als die „Wirtschaftsweisen“, in seinem Jahresgutachten prognostiziert, erwartet Deutschland im kommenden Jahr ein nur geringes Wachstum von 0,4 Prozent. Dies berichtet die F.A.Z. in einem Artikel vom 13.11.2024. Damit liegt die Einschätzung des Sachverständigenrats deutlich unter der Prognose der Bundesregierung, die im Oktober noch von einem Wachstum von 1,1 Prozent ausging. Für das laufende Jahr rechnet der Rat sogar mit einem leichten Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,1 Prozent.
Ein Hauptgrund für die schwache Entwicklung ist die anhaltende industrielle Schwäche Deutschlands. Die deutschen Industrieunternehmen haben im internationalen Vergleich an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Steigende Produktionskosten bei gleichzeitig schwacher Produktivitätsentwicklung haben dazu geführt, dass Deutschland, anders als in der Vergangenheit, nicht von der robusten Weltwirtschaft profitiert. Wie die Wirtschaftsweisen feststellen, werden die hohen Energiekosten im internationalen Vergleich durch den Faktor Arbeit noch übertroffen. Die Lohnstückkosten sind in Deutschland im internationalen Vergleich hoch und in den vergangenen Jahren weiter gestiegen.
Hinzu kommt ein verhaltener privater Konsum, der trotz deutlicher Lohnerhöhungen nicht wie erwartet angezogen hat. Auch die Bauwirtschaft trägt weiterhin zur Abschwächung des Wachstums bei. Die Investitionstätigkeit der Unternehmen bleibt verhalten. Für das Jahr 2025 prognostizieren die Wirtschaftsweisen einen negativen Außenbeitrag, der das Wachstum zusätzlich belasten wird.
Die wirtschaftliche Stagnation wirkt sich auch auf den Arbeitsmarkt aus. Die Wirtschaftsweisen erwarten einen Anstieg der Arbeitslosenquote von derzeit 6 auf 6,1 Prozent im kommenden Jahr. Die Inflation in Deutschland wird voraussichtlich bei 2,1 Prozent verharren.
Die Wachstumsprognose des Sachverständigenrats von 0,4 Prozent für das kommende Jahr liegt im Mittelfeld der Erwartungen. Während die Bundesregierung mit 1,1 Prozent rechnet, gehen die großen deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrer Gemeinschaftsdiagnose von 0,8 Prozent aus. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer erwartet sogar ein Nullwachstum. Einige Volkswirte von Geschäftsbanken prognostizieren sogar einen weiteren Rückgang der Wirtschaftsleistung um bis zu 0,3 Prozent.
Die Vorsitzende des Sachverständigenrats, Monika Schnitzer, betonte die Notwendigkeit von Reformen der Rentenversicherung, Maßnahmen gegen den Arbeitskräftemangel und verstärkte Investitionen in die Infrastruktur. Ratsmitglied Veronika Grimm mahnte an, dass die Sozialausgaben nicht stärker steigen sollten als das Wirtschaftswachstum. Ulrike Malmendier kritisierte den Fokus der Politik auf traditionelle Industriezweige und betonte die Bedeutung junger, zukunftsorientierter Unternehmen.
Die Wirtschaftsweisen warnen vor einer Vertiefung der industriellen Schwäche und deren langfristigen Folgen für die deutsche Wirtschaft. Das Risiko, dass die Kapazitätsauslastung im verarbeitenden Gewerbe nicht steigt, sei substanziell. Die zuletzt gestiegene Arbeitslosigkeit könnte sich verfestigen.
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