October 4, 2024
Abschied eines Radsportlers mit Herz und Leidenschaft

Ein Siegfahrer war Simon Geschke trotz Leistung bis zur völligen Erschöpfung nicht. Dennoch ist der vollbärtige Radprofi am Ende seiner Karriere mit sich selbst und seiner Laufbahn im Reinen. Wie die F.A.Z. berichtet, hat er auf seiner Abschiedstour 2024 84 Renntage mit knapp 13.500 Kilometern im Renntempo absolviert - von Australien im Januar bis ins Münsterland im Oktober.

Obwohl er nach seinem letzten Wettkampf beim Münsterland Giro sagte: „Es wird schon ein paar Sachen geben, die ich vermisse. Jeden Tag aufs Rad zu steigen wird aber nicht dazugehören“, wirkte es, als wolle der 38-Jährige das Rad-Nomadendasein noch mal voll auskosten. Immerhin saß er 16 Jahre als Profi quasi täglich im Sattel, hielt sich beständig in der ersten Liga seines Sports, strampelte sich bei 20 dreiwöchigen Landesrundfahrten ab, fuhr nicht selten bis zur völligen Erschöpfung und erlebte doch nur wenige echte Sternstunden auf dem Rad in eigener Sache.

„Ich habe das Beste aus sich herausholen dürfen in all den Jahren“, sagte Geschke im Sommer während der Tour de France gegenüber der F.A.Z.. Nur ein paar mehr Radrennen hätte er gerne gewonnen, ein Siegfahrer war der Kletterer, der den Vollbart in der sonst aerodynamisch aufs kleinste Detail fixierten Branche, hoffähig gemacht hat, nicht. Doch jener eine besondere Tag im Juli 2015 hat Geschkes Karriere definiert und entscheidend dazu beigetragen, dass er neun Jahre später mit sich und seiner Laufbahn im Reinen aufhört.

Der Parforceritt seines Lebens ließ ihn als Solist die Tour-Bergetappe nach Pra Loup gewinnen. Der Beweis, dass er nicht nur wie so oft in Reichweite der großen Siege fahren, sondern auch entschlossen zupacken kann. Entschlossen und oft weit über seine Kräfte hinaus agierte „Simoni“, wie er in der Szene genannt wird, auch bei der Frankreich-Rundfahrt 2022. Neun Tage lang radelte und begeisterte er im rot gepunkteten Trikot des besten Bergfahrers – erst auf der letzten Bergetappe raubte ihm Gesamtsieger Jonas Vingegaard im Vorbeifahren das Stück Stoff, das Geschke viel bedeutete und noch nie ein deutscher Fahrer nach Paris getragen hat.

Der in Berlin geborene und im Breisgau heimisch gewordene Geschke begann eine Profikarriere, als sein Metier, der Radsport, hierzulande reflexhaft mit Dopingvergehen in Verbindung gebracht wurde. Er bewies eine dicke Haut und einen langen Atem und fand seinen Weg – abgesehen von ein paar Wochen als radelnder Praktikant beim einstigen Team Milram – durchgehend bei ausländischen Mannschaften. „Ich bin stolz auf meine Ergebnisse und auf das, was ich als Teamkollege erreicht habe“, sagte der 38-Jährige, der klaglos seine Helfer- und Zuarbeiteraufgaben in den Rennen erfüllte.

Nach dem Rennen auf Händen getragen

Er, der oft im Schatten der Stars und Sieger buckelte, genoss ihn sichtlich, den großen Bahnhof ihm zu Ehren beim Münsterland Giro. Vor dem Rennen pedalierte er winkend durch das Spalier der Profis, nach dem Rennen wurde er auf Händen getragen. Von einer Gruppe einstiger deutscher Weggefährten im Peloton wie Marcel Kittel, der der Plackerei im Sattel frühzeitig abschwor, und John Degenkolb, der mindestens noch ein weiteres Jahr fährt.

Geschke verlässt seinen Sport voll konkurrenzfähig, wie er in diesem Jahr bei Giro d’Italia und der Tour sowie kürzlich als Teil einer Ausreißergruppe bei den Weltmeisterschaften bewies. Dass der 38-Jährige seine Karriere ausgerechnet beim Münsterland Giro beendete, ist kein Zufall. Wie Kicker.de berichtet, bezeichnete Geschke den Abschied dort im Vorfeld als „zwangsläufig etwas Besonderes“. „Es ist ein Rennen, das eher für Sprinter geeignet ist, also geht es vor allem darum, Spaß zu haben und einen guten Abschluss in Deutschland zu finden.“

Seinen letzten großen Auftritt auf internationaler Bühne hatte Geschke laut RBB24 bereits am 29.09.2024 bei den Weltmeisterschaften in Zürich. Dort belegte er im Straßenrennen der Männer den 36. Platz. Den Sieg sicherte sich der Slowene Tadej Pogacar.

Künftig wird der Fokus von Geschke auf dem Privatleben liegen. Im November erwartet er mit seiner Partnerin ein Kind. Dem Radsport möchte er aber in anderer Rolle erhalten bleiben.

Quellen:

- https://www.faz.net/aktuell/sport/mehr-sport/radsportler-simon-geschke-dicke-haut-und-langer-atem-110026385.html - https://www.kicker.de/applaus-und-schulterklopfer-geschke-beendet-karriere-beim-muensterland-giro-1056473/artikel - https://www.rbb24.de/sport/beitrag/2024/09/radsport-wm-zrich-simon-geschke-maximilian-schachmann.html
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