October 1, 2024
Biden und Israel: Die Herausforderungen diplomatischer Einflussnahme im Nahen Osten

US-Präsident Joe Biden sah sich am Montag gezwungen, öffentlich Stellung zu den israelischen Plänen eines möglichen Bodeneinsatzes im Libanon zu beziehen. Auf die Frage eines Journalisten, ob er über die Pläne informiert sei und diese unterstütze, antwortete ein sichtlich erkälteter Biden: „Ich weiß mehr, als ihr annehmt. Und ich bin damit einverstanden, dass sie aufhören. Wir sollten jetzt einen Waffenstillstand haben.“ Diese Aussage, die während einer eigentlich für Hilfsmaßnahmen nach Hurrikan Helene anberaumten Pressekonferenz fiel, verdeutlicht die angespannte Lage zwischen den USA und ihrem engen Verbündeten Israel.

Bidens Worte sollten den Eindruck vermitteln, dass die USA in engem Austausch mit Israel stehen. Doch der energische Unterton kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die USA in diesem Konflikt bislang kaum Einfluss auf die israelische Regierung nehmen konnten. Bereits vor sieben Monaten prophezeite Biden einen baldigen Waffenstillstand in Gaza – eine Prognose, die sich als Trugschluss erwies.

Vergangene Woche demonstrierte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die begrenzte Macht Washingtons deutlich, als er, entgegen der amerikanischen Erwartung eines Waffenstillstands im Libanon, die Tötung des Hizbullah-Führers Hassan Nasrallah durch israelische Bomben nicht verhinderte. Biden beschränkte sich darauf, von einem „gewissen Maß an Gerechtigkeit“ für Nasrallahs zahlreiche Opfer zu sprechen.

Vor diesem Hintergrund überrascht es wenig, dass es erneut amerikanische Regierungsbeamte waren, die am Montag die Information über Israels Pläne eines „begrenzten“ und „zeitnahen“ Bodeneinsatzes an die Medien weitergaben. Der Einsatz solle sich, so die Informationen, auf die Infrastruktur der Hisbollah entlang der Grenze konzentrieren und kleiner ausfallen als der Krieg im Jahr 2006. Wieder schwang die Botschaft mit: Verhindert eine weitere Eskalation. In der Tat begann die israelische Armee in der Nacht zum Dienstag mit einem Bodeneinsatz und „begrenzten“ Angriffen auf Ziele im Libanon nahe der Grenze. Amerikanische Medien berichteten, dass es Regierungsbeamten am Wochenende in intensiven Gesprächen gelungen sei, Israel von einer umfassenden Bodenoffensive im Libanon abzuhalten.

Dennoch bleibt die Befürchtung, dass sich die Situation trotz der amerikanischen Appelle an eine diplomatische Lösung, anders entwickelt als erhofft. So äußerten einige Regierungsbeamte bereits die Befürchtung, Israel könnte eine „schleichende Ausweitung“ des Bodeneinsatzes planen. Ein Sprecher des Außenministeriums vermied es am Montag, das Vorgehen Israels zu bewerten. Letztendlich sei es Israels Entscheidung, betonte Matthew Miller, doch man werde deutlich machen, „dass am Ende Diplomatie der beste Weg ist, die Ziele zu erreichen“.

Millers Auftritt in der Pressekonferenz verdeutlichte die Gratwanderung, die die US-Regierung im Umgang mit Israel derzeit vollziehen muss. Einerseits räumte Miller ein, dass militärischer Druck in einigen Fällen die Diplomatie voranbringen könne. Andererseits fügte er hinzu, dass dies auch zu „Fehleinschätzungen und unbeabsichtigten Konsequenzen“ führen könne. Daher setzten sich die Vereinigten Staaten weiterhin für einen Waffenstillstand im Libanon ein. Auch Außenminister Antony Blinken unterstrich am Montag erneut, dass nur eine diplomatische Lösung zu mehr Stabilität in der Region führen könne.

Für Biden und die Demokraten ist der Konflikt im Nahen Osten ein heikles Thema. Einerseits sind die USA Israel durch eine jahrzehntelange Partnerschaft verbunden und unterstützen das Land mit Milliarden Dollar. Andererseits wächst in der eigenen Partei der Widerstand gegen die bedingungslose Unterstützung der israelischen Regierung, insbesondere angesichts der Politik gegenüber den Palästinensern.

Die Tatsache, dass die USA Israel nicht von einem Bodeneinsatz im Libanon abhalten konnten, zeigt die Grenzen von Bidens Einflussnahme auf. Es bleibt abzuwarten, ob die USA in Zukunft in der Lage sein werden, eine aktivere Rolle im Friedensprozess im Nahen Osten zu spielen.

Quellen:

  • https://www.faz.net/aktuell/politik/krieg-in-nahost/wie-netanjahu-joe-biden-abblitzen-laesst-usa-israel-und-hizbullah-110019700.html
  • https://www.faz.net/agenturmeldungen/dpa/begrenzte-operationen-israels-sorge-vor-bodenoffensive-110019679.html
  • https://orf.at/stories/3371507/
  • https://newstral.com/de/article/de/1258533580/usa-israel-und-hizbullah-der-zahnlose-tiger-in-washington
  • https://newstral.com/de/article/de/1258533940/usa-israel-und-hizbullah-der-zahnlose-tiger-in-washington
  • https://apa.at/news/israel-informiert-usa-ueber-bodeneinsaetze-im-libanon/
  • http://www.dnnd.de/zombie/
  • https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-531-90576-1
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