October 1, 2024
Euroraum verzeichnet signifikanten Rückgang der Inflationsrate auf 1,8 Prozent

Die Inflation im Euroraum ist im September auf 1,8 Prozent gesunken. Wie das europäische Statistikamt Eurostat in Luxemburg am Dienstag nach einer ersten Schätzung mitteilte, lag die Rate im August noch bei 2,2 Prozent und im Juli bei 2,6 Prozent. Damit hat sich die Inflation gegenüber den Höchstständen aus dem Herbst 2022, als sie bei über 10 Prozent lag, deutlich abgeschwächt.

Der Rückgang der Teuerung im September war stärker als erwartet und betraf nicht nur Deutschland. Nach der europäischen Berechnungsweise des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI), der für internationale Vergleiche verwendet wird, sank die Inflation in Deutschland erstmals seit Beginn der Inflationswelle wieder unter die Marke von 2 Prozent, das mittelfristige Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB), auf 1,8 Prozent.

Auch in Frankreich (1,5 Prozent) und Spanien (1,7 Prozent) fiel die Inflation unter die Zwei-Prozent-Marke. In Italien, das früher als Hochinflationsland galt, sank die Inflationsrate sogar unter die Ein-Prozent-Marke auf 0,8 Prozent und liegt damit deutlich unter dem europäischen Durchschnitt.

Eine zentrale Rolle spielte dabei der starke Rückgang der Energiepreise. Öl, Erdgas und Kraftstoff sind deutlich günstiger als noch vor einem Jahr. Ökonomen zufolge könnte sich dieser Trend im weiteren Jahresverlauf jedoch wieder umkehren.

Bei vielen anderen Preisen, auch bei Nahrungsmitteln, hat sich die Teuerung zumindest deutlich abgeschwächt. Die Zahl der Lebensmittel, die auf Jahressicht tatsächlich günstiger wurden, wie beispielsweise Fisch, ist allerdings noch überschaubar. Es gibt auch weiterhin Produkte im Supermarkt, die deutlich teurer geworden sind, wie Olivenöl oder Gurken. Viele Basislebensmittel wie Brot steigen zwar weiter im Preis, aber nicht mehr so stark wie während der Hochphase der Inflation.

Die Preise für Dienstleistungen hingegen sind in vielen Euroländern zuletzt weiter kräftig gestiegen. Im Süden Europas machte sich das unter anderem bei den Preisen für Tourismusdienstleistungen bemerkbar, im Norden oftmals bei den Prämien für Versicherungen. Auch die Preise in der Gastronomie sind auf Jahressicht spürbar gestiegen, ebenso wie die Kosten für die Pflege oder Dienstleistungen rund um Immobilien und Autos.

An den Finanzmärkten hat die unerwartet niedrige Inflation Spekulationen beflügelt, die EZB könnte die Leitzinsen bereits auf ihrer nächsten Zinssitzung im Oktober weiter senken und nicht erst im Dezember. Die Ökonomen der Commerzbank haben ihre EZB-Prognose bereits entsprechend geändert, wie sie am Montagnachmittag mitteilten. Bislang waren sie von einer Zinssenkung erst im Dezember ausgegangen, jetzt halten sie einen Zinsschritt nach unten bereits im Oktober für wahrscheinlich.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagte am Montag in Brüssel: „Die Inflation könnte im vierten Quartal dieses Jahres vorübergehend ansteigen, da die zuvor stark gesunkenen Energiepreise aus den jährlichen Raten herausfallen – aber die jüngsten Entwicklungen stärken unsere Zuversicht, dass die Inflation rechtzeitig zum Zielwert zurückkehren wird.“ Der EZB-Rat werde dies bei seiner Sitzung im Oktober berücksichtigen.

Die Aussagen sind der bisher deutlichste Hinweis von Lagarde auf eine mögliche Zinssenkung im Oktober. Commerzbank-Ökonom Marco Wagner spricht davon, dass Lagarde „mit dem Gartenzaun winke“.

Die Inflationsraten dürften in den nächsten Monaten zunächst wieder etwas steigen. Dafür könnte allein schon ein sogenannter Statistischer Basiseffekt sorgen, ein rein technischer Vorgang. Im vorigen Jahr war Energie im Sommer recht teuer gewesen, der Preisverfall in den vergangenen Monaten bis einschließlich September wirkte sich entsprechend entlastend auf die Inflationsrate aus. Im Oktober, November und Dezember vergangenen Jahres war Energie dann aber deutlich günstiger. Entsprechend höher dürften im Jahresvergleich in den nächsten drei Monaten bis zum Jahresende die Inflationsraten ausfallen.

Denkbar wäre, dass die Inflation im Oktober zwar etwas zulegt, im November und Dezember dann aber doch wieder deutlich oberhalb des EZB-Ziels von zwei Prozent liegt.

„Angesichts der schwachen Konjunkturdaten kommt die Europäische Zentralbank unter Druck, ebenso wie die US-Notenbank, die Zinsen schneller zu senken“, kommentierte Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. „Die EZB braucht aber nicht in Zinssenkungspanik zu verfallen, da ihre Leitzinsen bereits deutlich unter den US-Zinsen liegen.“

„Die zuletzt spürbar gefallenen Inflationsraten und die eingebrochenen Frühindikatoren für die Konjunktur haben uns dazu veranlasst, unsere EZB-Prognose zu ändern, zumal EZB-Präsidentin Lagarde am Montag entsprechende Hinweise gab“, sagte Marco Wagner, EZB-Beobachter der Commerzbank. „Anders als bisher von uns erwartet, werden die EZB-Notenbanker wohl bereits im Oktober die Zinsen ein weiteres Mal senken.“

Auch die Bank of America ist jetzt der Ansicht, dass die EZB schon im Oktober die Zinsen senken wird: „Wir ändern unsere Prognose für die EZB“, schreiben die Ökonomen. „Wir erwarten nun eine Zinssenkung im Oktober, gefolgt von zwei weiteren Senkungen um jeweils 25 Basispunkte.“ Auch die Deutsche Bank änderte ihre Prognose und erwartet, dass die EZB jetzt schon im Oktober den ersten Zinsschritt geht.

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