October 1, 2024
Bruno Retailleau im Fokus: Ein neuer Innenminister zwischen Tradition und Kontroversen

Bruno Retailleau hat lange auf diesen Moment in seiner politischen Karriere warten müssen. Nun ist der 63-jährige ultrakonservative Westfranzose Innenminister Frankreichs. Protokollarisch gilt er als Nummer drei im neuen Kabinett von Premierminister Michel Barnier. Und er redet viel, auffällig und oft ausfällig, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet.

Retailleau sitzt in einer Regierung, die im Parlament keine Mehrheit hat. Wenn es heißt, diese fünfte Regierung in der Amtszeit von Staatspräsident Emmanuel Macron sei mit Abstand die rechteste, dann hat das viel mit Retailleau zu tun. Die extreme Rechte, ohne deren Duldung die Regierung sofort stürzen würde, soll von ihm zufriedengestellt werden. „Sein Körper ist gespannt wie ein Bogen“, schreibt Le Monde.

Retailleau kommt aus der Vendée an der Atlantikküste. Schon als Jugendlicher lernte er seinen politischen Mentor kennen, den Adligen Philippe de Villiers. De Villiers zog in der Gegend den historischen Themenpark „Puy du Fou“ auf, in dem das alte, prärevolutionäre Frankreich lebt. Retailleau, der Politikwissenschaften studierte, wurde Regisseur der Inszenierungen des Parks. 1994 zog er für die Partei seines Ziehvaters, die Mouvement pour la France, erstmals in die Assemblée nationale ein. Eine Dekade später wurde er Senator.

Dann trennten sich die Wege der beiden. Beide sind Nationalisten, erzkatholisch, eine Linie. Retailleau kämpfte gegen die Ehe für alle und stimmte gegen die Aufnahme des Rechts auf Abtreibung in die Verfassung. Aber irgendetwas muss passiert sein. De Villiers behinderte fortan Retailleaus Aufstieg. Zuletzt war dieser Fraktionschef der „Républicains“ im Senat. Nur mit Macron konnte er es nie. Noch im vergangenen Juli beschrieb er den Präsidenten in einem Interview als „toxisch“ und „egozentrisch“. Nun koaliert er mit den Macronisten. Für den Traumjob.

„Ich habe drei Prioritäten, Sie werden sie sich gut merken können: Erstens, die Ordnung wiederherstellen. Zweitens, die Ordnung wiederherstellen. Drittens, die Ordnung wiederherstellen“, sagte Retailleau bei seinem Amtsantritt. Neben ihm stand sein Vorgänger Gérald Darmanin und schaute wie ein gescholtener Schüler zu Boden. Retailleau sieht Frankreich im Niedergang, zersetzt von dem, was er „décivilisation“ nennt, Entzivilisierung. Das Übel von allem? Die Einwanderung. „Wie Millionen Franzosen halte ich die Immigration für keine Chance“, sagte er vor ein paar Tagen. Sein Vorgänger erinnerte ihn daran, dass es ohne Einwanderung gar nicht ginge. Retailleau sagte auch: „Der Rechtsstaat ist weder unantastbar noch heilig.“ Manchmal glaubt man, Marine Le Pen reden zu hören. Und genau so ist das ja auch gedacht. Retailleau soll mit harter Rhetorik dafür Sorge tragen, dass die extreme Rechte die Regierung mitträgt, möglichst lange.

Die neue rechtsorientierte Regierung hat bei der Übernahme der Regierungsgeschäfte eine Verschärfung ihrer Einwanderungspolitik erkennen lassen. „Wir müssen den Mut zur Härte haben“, sagte Retailleau laut AFP am Montag in Paris. Zuvor hatte Premierminister Barnier bereits Deutschlands Entscheidung, die Grenzkontrollen auf all seine Grenzen auszuweiten, als „sehr interessant“ bezeichnet.

Manuel Bompard, Parteichef der linkspopulistischen Partei Unbeugsames Frankreich, warf Retailleau wegen früherer Äußerungen „Rassismus“ vor. So habe der neue Innenminister früher mit Blick auf eingebürgerte Migranten von „Papierfranzosen“ gesprochen. „Das sind rassistische Formulierungen“, sagte Bompard dem Sender CNews.

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