September 28, 2024
Ärztemangel und Extremismus: Die Herausforderungen für Mediziner in Ostdeutschland

Der Darmstädter Oberarzt Cihan Çelik erhält häufig Jobangebote aus Ostdeutschland. In einem Interview mit der FAZ äußert er sich zu den Auswirkungen der AfD-Wahlerfolge auf den Ärztemangel und zu Extremismus unter Medizinern. „In diesem Jahr waren es sechs Jobangebote aus dem Osten“, so Çelik. Fachärzte seien überall gefragt, er persönlich wolle aber nicht in einer Umgebung leben und arbeiten, „in der viele Menschen rechtsextrem wählen und Deutsche wie mich als „Passdeutsche“ betrachten“, zitiert ihn die FAZ.

Obwohl Çelik betont, dass die Mehrheit der Menschen im Osten nicht so denke, sei es für ihn mit den jüngsten Wahlergebnissen „unvorstellbar geworden, in einem ostdeutschen Bundesland zu wohnen oder zu arbeiten“. Die Situation sei besonders im ländlichen Raum problematisch, wo es deutlich mehr Patienten pro Arzt gebe als in Großstädten.

Die Abwanderung junger, qualifizierter Menschen in den Westen verschärfe den Ärztemangel zusätzlich. Die Personallücke werde in Kliniken oft mit ausländischen Ärzten gefüllt, die in Westdeutschland oder Großstädten aufgrund fehlender Sprachkenntnisse und Erfahrung schwerer einen Job fänden. Oft sei Ostdeutschland nur eine Durchgangsstation: „In Ostdeutschland hat man mit der Approbation schon gute Jobchancen. Oft beginnen ausländische Ärzte im Osten, verbessern ihre Sprachkenntnisse, sammeln medizinische Erfahrung und bewerben sich dann im Westen“, so Çelik gegenüber der FAZ.

Auf die Frage, ob er als Arzt nicht allen Menschen helfen wolle, unabhängig von ihrer politischen Einstellung, antwortet Çelik: „Das muss man unbedingt sagen, und das steht auch nicht zur Debatte.“ Er habe bereits Patienten mit Hakenkreuz-Tattoos, Querdenker-Aktivisten und auch einen führenden AfD-Politiker behandelt. „Das macht keinen Unterschied für die ärztliche Zuwendung“, betont Çelik.

Dennoch sorge er sich um die offene Gesellschaft und die zunehmende Akzeptanz menschenfeindlicher Ansichten. Es sei eine Anmaßung, dass sich manche Menschen herausnähmen zu entscheiden, wer in Deutschland leben dürfe und wer nicht.

Çelik kritisiert in dem Interview auch rechtsextremes Gedankengut unter Ärzten. Es sei „eine Schande für die Ärzteschaft“, wenn ein Arzt in einer rechtsextremen Partei aktiv sei. Laut einer Studie des Marburger Bundes sei das Wählerpotential für solche Parteien unter Ärzten erschreckend hoch.

Abschließend geht Çelik auf die Frage ein, warum die vielen ausländischen Ärzte in Ostdeutschland nicht zu einem positiveren Bild von Migranten in der Bevölkerung führen. Seiner Ansicht nach habe die Ablehnung von Migration selten etwas mit der unmittelbaren Lebensrealität der Menschen zu tun.

Quelle: https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/coronavirus/arzt-interviews/cihan-elik-zu-afd-erfolgen-fuer-mich-ist-es-unvorstellbar-in-ostdeutschland-zu-arbeiten-110013278.html

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