19.10.2024
Belastung in der Pflege: Gerichtsurteil im Mordversuchsfall einer Ehefrau

Ehemann vergiftet: Bewährungsstrafe für pflegende Ehefrau wegen Mordversuch

In einem aufsehenerregenden Fall hat das Landgericht Hanau eine 63-jährige Frau wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Die Angeklagte hatte ihrem 79-jährigen, an schwerer Demenz erkrankten Ehemann eine Überdosis eines Schlafmittels verabreicht. Das Gericht verhängte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zudem muss die Frau 10.000 Euro an zwei karitative Einrichtungen zahlen.

Die Schwurgerichtskammer stellte fest, dass die Angeklagte im März 2023 in Gründau im Main-Kinzig-Kreis die Überdosis vorbereitet und sowohl ihrem Ehemann als auch sich selbst verabreicht hatte. Das Paar wurde von Angehörigen bewusstlos in ihrem gemeinsamen Bett aufgefunden und konnte durch Notärzte gerettet werden. Die Richter sahen in ihrem Handeln eine heimtückische Tat, da der Ehemann in einem Zustand der Wehrlosigkeit war und die Frau einen Tötungsvorsatz hatte.

Ursachen für die Tat

Das Gericht führte als Gründe für das Verhalten der Angeklagten Überforderung, Verzweiflung, Schlafentzug und Alkoholkonsum an. Zum Zeitpunkt der Tat hatte die Frau einen Blutalkoholgehalt von über drei Promille. Dies führte zu der Einschätzung, dass sie im Zustand eingeschränkter Schuldfähigkeit handelte. Dennoch wurde das Vorgehen als besonders schwerwiegend eingestuft, da es sich um einen vorsätzlichen Mordversuch handelte.

Die Angeklagte räumte ein, dass sie mit der Pflege ihres dementen Mannes überfordert war und sich nach Schlaf sehnte. In ihrem Bedauern über die Tat äußerte sie, dass sie nicht gewollt habe, dass ihr Mann in ein Pflegeheim komme, und sie nach 40 Jahren Ehe in einer ausweglosen Situation war. Inzwischen ist sie verwitwet, da ihr Mann an einer Lungenentzündung verstorben ist.

Reaktionen im Gericht

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Verurteilung wegen versuchten Mordes im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit beantragt. Die Verteidigung hingegen plädierte für eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung. Beide Seiten sprachen sich letztlich für eine Bewährungsstrafe aus, was das Gericht in seiner Entscheidung berücksichtigte. Das Urteil ist bereits rechtskräftig, da beide Parteien auf eine Revision verzichtet haben.

Gesellschaftliche Implikationen

Dieser Fall wirft ein Schlaglicht auf die Herausforderungen, mit denen Angehörige von Pflegebedürftigen konfrontiert sind. Die Belastungen, die durch die Pflege von Menschen mit Demenz entstehen, sind oft enorm und werden in der Gesellschaft häufig nicht ausreichend thematisiert. Experten weisen darauf hin, dass es für pflegende Angehörige zahlreiche Hilfsangebote gibt, die über die jeweiligen Pflegekassen in Erfahrung gebracht werden können.

Ähnliche Fälle, wie der vor dem Landgericht Wiesbaden, bei dem ein 80-jähriger Mann wegen Totschlags verurteilt wurde, zeigen, dass es in der häuslichen Pflege oft zu extremen Belastungen kommt. Die Richterin in diesem Fall bezeichnete die Situation als „menschliches Drama“ und verwies auf die Notwendigkeit, das Thema der häuslichen Pflege in der Gesellschaft offener zu diskutieren.

Die Entscheidung des Gerichts in Hanau könnte als Signal verstanden werden, dass die Justiz die besonderen Umstände, unter denen pflegende Angehörige handeln, anerkennt und die Notwendigkeit von Unterstützungssystemen für diese Menschen betont.

Die Diskussion um die Pflege von Demenzkranken und die Unterstützung für pflegende Angehörige bleibt ein wichtiges gesellschaftliches Thema, das in Zukunft mehr Aufmerksamkeit und Ressourcen erfordert.

Quellen: Zeit Online, Süddeutsche Zeitung, Merkur, op-online.

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