October 4, 2024
Computernutzung in Zellen: Pilotprojekt zur digitalen Resozialisierung in Baden-Württemberg

Zwei Gefängnisse in Baden-Württemberg testen Computer in Zellen

In zwei Gefängnissen in Baden-Württemberg soll ein Pilotprojekt starten, bei dem Häftlinge Zugang zu Computern in ihren Zellen erhalten. Wie ein Sprecher des Justizministeriums mitteilte, wird das sogenannte Haftraummediensystem in einer Anstalt des offenen Vollzugs in Ulm und einer Anstalt des Frauenvollzugs in Schwäbisch Gmünd getestet. Derzeit laufe das Vergabeverfahren, ein genauer Starttermin stehe noch nicht fest.

Das Pilotprojekt wurde bereits im Herbst 2022 von den Koalitionsfraktionen CDU und Grüne sowie dem Justizministerium angekündigt und sollte eigentlich noch in diesem Jahr starten. Ziel des Projekts ist es, den Gefangenen nach ihrer Entlassung die Rückkehr in die Gesellschaft zu erleichtern. Für den Modellversuch "Resozialisierung durch Digitalisierung" wurden 200.000 Euro veranschlagt.

Eingeschränkter und kontrollierter Internetzugang

Der Zugang zum Internet soll jedoch eingeschränkt und kontrolliert sein. "Im Vergleich zu normalen Laptops oder Computern seien Haftraummediensysteme so konzipiert, dass sie streng kontrollierbar seien", so der Sprecher des Justizministeriums. Die Computer sollen den Häftlingen digitale Services wie einen gesicherten Zugang zum Internet, E-Mail-Verkehr, Videotelefonie, E-Learning-Angebote und ein Gefängnis-internes Schwarzes Brett bieten. Frühere Pläne, die auch Musik- und Filmangebote sowie Seelsorge vorsahen, wurden in den aktuellen Plänen auf Fernsehen und Radio reduziert. "Die Seelsorge wird grundsätzlich weiterhin von den Seelsorgern vor Ort in den Anstalten erbracht", betonte der Sprecher.

Die JVA Ulm bietet Platz für 153 Häftlinge, die Anstalt in Schwäbisch Gmünd verfügt über mehrere Hundert Haftplätze. "Bei der Entscheidung für diese Standorte haben technische und vollzugliche Faktoren eine Rolle gespielt", erklärte der Sprecher. Wie viele Zellen mit den Computern ausgestattet werden sollen, ist noch offen.

Austausch mit Schweizer Justizbehörden

Im Vorfeld des Projekts gab es einen Austausch mit den schweizerischen Justizbehörden, die an einer "Digitalstrategie Justizvollzug 2030" arbeiten. Auch in anderen Bundesländern sind bereits Computer in Gefängnissen im Einsatz.

So können Häftlinge in Berlin beispielsweise in drei Gefängnissen im Internet surfen. Nach dem Start eines Pilotprojekts Ende 2022 in der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Lichtenberg folgten zwei weitere Vollzugsanstalten. Inzwischen haben mehr als 700 Gefangene in der Hauptstadt Zugang zu verschiedenen Internetdiensten.

"Ohne Internetzugang ist die Wohnungs- und Jobsuche sowie der Kontakt zu Behörden und Sozialarbeitern nur schwer möglich", sagte Justizministerin Marion Gentges (CDU) Anfang des Jahres. Die Nutzung der Computer sei jedoch an Bedingungen und Regeln gebunden. "Sinn und Zweck der Digitalisierung in Hafträumen ist nicht, dass die Häftlinge nur Computer spielen oder unkontrolliert im Internet surfen", so Gentges.

Quelle: https://www.zeit.de/news/2024-10/04/zwei-gefaengnisse-sollen-computer-in-zellen-testen

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