20.10.2024
DaronAcemoğlusEinblickeWohlstandundTechnologie

Vier Lehren vom Nobelpreisträger Daron Acemoğlu

Der türkisch-amerikanische Ökonom Daron Acemoğlu wurde kürzlich mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. Gemeinsam mit seinen Kollegen Simon Johnson und James A. Robinson wurde er für seine Arbeit zu den Ursachen von Wohlstand und Ungleichheit zwischen den Nationen geehrt. Acemoğlus Forschung liefert wichtige Erkenntnisse darüber, wie Institutionen und politische Systeme den wirtschaftlichen Erfolg beeinflussen.

Acemoğlu, der am Massachusetts Institute of Technology (MIT) lehrt, ist ein profilierter Wissenschaftler mit einer beeindruckenden Publikationsliste. Seine Forschung befasst sich mit einer Vielzahl von Themen, darunter politische Ökonomie, Wirtschaftswachstum und Entwicklung sowie die Auswirkungen neuer Technologien.

1. Demokratie als Motor für Wohlstand

Einer der zentralen Punkte in Acemoğlus Werk ist die Bedeutung von Institutionen für den wirtschaftlichen Erfolg. In ihrem Buch "Why Nations Fail" (deutsch: "Warum Nationen scheitern") argumentieren Acemoğlu und Robinson, dass Länder mit "inklusiven" Institutionen – also solchen, die eine breite Beteiligung der Bevölkerung an politischen und wirtschaftlichen Prozessen ermöglichen – tendenziell wohlhabender sind als Länder mit "extraktiven" Institutionen, die die Macht und Ressourcen in den Händen einer kleinen Elite konzentrieren.

Demokratie spielt dabei eine wichtige Rolle, da sie die Teilhabe der Bürger am politischen Prozess sicherstellt und damit die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass inklusive Institutionen entstehen und aufrechterhalten werden. Wie die Autoren am Beispiel ehemaliger europäischer Kolonien zeigen, entwickelten sich Regionen mit einer größeren Anzahl europäischer Siedler, die inklusive Institutionen etablierten, wirtschaftlich besser als Regionen, die von Europäern nur ausgebeutet wurden. "Oft waren es gerade die reichen Landstriche, in denen die Kolonialherren solche Institutionen nicht eingerichtet haben, weil die Schätze dieser Landstriche ausgebeutet werden sollten. Sie wurden mit der Zeit immer ärmer. Arme Landstriche dagegen bekamen integrativere Institutionen, weil sich dort Europäer ansiedeln wollten – und diese inte­grativeren Institutionen haben die Landstriche mit der Zeit reich gemacht", heißt es in der F.A.S..

2. Der Einfluss von Social Media auf die Verbreitung von Fehlinformationen

Neben seinen Arbeiten zu den Ursachen von Wohlstand beschäftigt sich Acemoğlu auch mit aktuellen Themen wie der Rolle von sozialen Netzwerken in der Informationsgesellschaft. In einer Studie, die er gemeinsam mit anderen Ökonomen durchgeführt hat, untersucht er die Ausbreitung von Falschinformationen in sozialen Medien. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass die Algorithmen der Plattformen, die darauf ausgerichtet sind, die Nutzer möglichst lange online zu halten, die Verbreitung von unzuverlässigen Nachrichten begünstigen.

Soziale Netzwerke haben einen Anreiz, den Nutzern vor allem solche Nachrichten anzuzeigen, die ihre bestehende Meinung bestätigen und ihre Verweildauer auf der Plattform erhöhen. Dies führt zur Bildung von Filterblasen und erschwert den Austausch zwischen Menschen mit unterschiedlichen Ansichten. "Wenn die Plattformen ihren Anreizen folgen, führen also unzuverlässige Nachrichten zu Filterblasen", schreibt die F.A.S..

3. Die Auswirkungen neuer Technologien auf den Arbeitsmarkt

Ein weiteres wichtiges Forschungsfeld von Acemoğlu sind die Auswirkungen des technologischen Wandels auf den Arbeitsmarkt. In seinem Buch "Power and Progress" (deutsch: "Macht und Fortschritt"), das er zusammen mit Simon Johnson verfasst hat, argumentiert er, dass technologischer Fortschritt nicht immer zu einem breiten Wohlstand führt.

Zwar könne neue Technologie neue Produkte und Dienstleistungen hervorbringen und damit neue Arbeitsplätze schaffen, gleichzeitig könne sie aber auch dazu führen, dass bestehende Arbeitsplätze durch Automatisierung wegfallen. Acemoğlu betont, dass es wichtig ist, die negativen Auswirkungen des technologischen Wandels auf bestimmte Bevölkerungsgruppen abzufedern und für eine gerechte Verteilung der Gewinne zu sorgen.

In einer Studie aus dem Jahr 2023 untersuchten Acemoğlu und seine Kollegen den Effekt neuer Technologien auf Arbeitsplätze in den Vereinigten Staaten. "Die Überraschung: Die Zahl der Arbeitsplätze wuchs zwar in den Unternehmen mit viel neuer Technik, aber das hatte sie schon vor dem Einsatz der Technik getan. Offenbar setzten wachsende Unternehmen neue Technologien häufiger ein", fasst die F.A.S. zusammen. Die Frage, wie sich neue Technologien langfristig auf die Zahl der Arbeitsplätze auswirken, müsse aber noch genauer erforscht werden.

4. Künstliche Intelligenz und ihre Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft

Im Zusammenhang mit dem aktuellen Hype um Künstliche Intelligenz (KI) mahnt Acemoğlu zu einem differenzierten Blick. Zwar räumt er ein, dass KI das Potenzial hat, viele Bereiche des Lebens zu verändern, warnt aber gleichzeitig vor überzogenen Erwartungen. Seiner Einschätzung nach wird KI in den kommenden Jahren zwar zu Produktivitätssteigerungen führen, diese aber geringer ausfallen als von vielen angenommen.

Zudem befürchtet Acemoğlu, dass KI die soziale Ungleichheit weiter verschärfen könnte, da die Gewinne aus der neuen Technologie vor allem bei denjenigen landen dürften, die bereits über Kapital und Macht verfügen. "Auf die ganze Wirtschaft gerechnet schätzt er, dass Menschen mit gleicher Arbeit nicht viel mehr produzieren werden – nur 0,5 bis 0,7 Prozent in den kommenden zehn Jahren", berichtet die F.A.S..

Daron Acemoğlus Forschung liefert wichtige Erkenntnisse darüber, wie sich politische und wirtschaftliche Systeme auf den Wohlstand von Nationen auswirken. Seine Arbeiten zeigen, dass Demokratie, inklusive Institutionen und eine gerechte Verteilung der Gewinne des technologischen Fortschritts entscheidende Faktoren für nachhaltigen Wohlstand sind.

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