Auch Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung ist die Anerkennung von DDR-Abschlüssen in Thüringen noch immer ein Thema. Wie die Zeit basierend auf einer Meldung der dpa berichtete, gingen auch im Jahr 2024 noch Anträge auf Anerkennung bzw. Nachdiplomierung beim Thüringer Bildungsministerium ein. Insgesamt haben seit 1990 knapp 95.000 Menschen einen solchen Antrag gestellt. Die genaue Anzahl der Bewilligungen ist laut dem Ministerium nicht bekannt.
Der deutsch-deutsche Einigungsvertrag regelt die Anerkennung von DDR-Schul-, Berufs- und Hochschulabschlüssen. Das Thüringer Bildungsministerium erklärte, die meisten Anträge kämen von Absolventen von Fach- und Ingenieurschulen, deren Ausbildungsniveau zwischen Facharbeiter und Hochschulabschluss lag. Hochschulabsolventen stellen seltener Anträge.
Wie die Thüringer Staatskanzlei ebenfalls mitteilte, werden die Nachweise der Anerkennung oft für Bewerbungen benötigt. Ob der anstehende Renteneintritt von vielen Menschen mit DDR-Ausbildung ebenfalls eine Rolle spielt, ist unklar. Die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland gab an, dass in seltenen Fällen fehlende Anerkennungen bei der Rentenklärung auffallen. Eine Sprecherin erklärte: „Die meisten Versicherten haben ihre Kontenklärung bereits in den 90er Jahren gemacht und darin ihre Beschäftigungszeiten und Abschlüsse aus der ehemaligen DDR gemeldet.“
Die Zuständigkeit für die Anerkennung liegt bei dem Bundesland, in dem die Ausbildungsstätte lag. In Thüringen gab es knapp 20 Standorte von Ingenieur- und Fachschulen, wie die Zeit berichtete. Beispiele hierfür sind die Veterinärmedizin, Bauingenieurwesen, Lehrerbildung für die Klassen 1 bis 4 und die Krankenpflege. Nicht immer gab es im Westen ein direktes Äquivalent zu den DDR-Studiengängen an Ingenieur- und Fachschulen.
Viele DDR-Abschlüsse sind mit westdeutschen Fachhochschulabschlüssen vergleichbar. Absolventen können daher eine Nachdiplomierung beantragen. Dafür müssen sie mindestens drei Jahre einschlägige Berufserfahrung nachweisen, um den Diplomgrad mit dem Zusatz FH (Fachhochschule) zu erhalten.
Die IHK Gera erläutert auf ihrer Webseite, dass sie für die Gleichstellung von DDR-Facharbeiter- oder Meisterabschlüssen zuständig ist, wenn der Antragsteller im IHK-Bezirk wohnt und der Antrag einen Abschluss in Industrie, Handel oder Dienstleistung betrifft. Für das Verfahren ist ein Antrag erforderlich, dem beglaubigte Kopien verschiedener Dokumente beizufügen sind.
Das Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur stellt auf seiner Webseite Informationen zur Anerkennung ausländischer Berufs- und Schulabschlüsse bereit. Dort wird auch auf die Möglichkeit der Anerkennung von DDR-Abschlüssen bis zur Fachschulebene hingewiesen.
Ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Thüringen vom 10.11.1999 (1 KO 973/96), dokumentiert auf dejure.org, befasste sich mit der Gleichwertigkeit eines an einer DDR-Militärhochschule erworbenen Abschlusses. Das Urteil verdeutlicht die Komplexität der Anerkennungsverfahren.
Quellen:
https://www.zeit.de/news/2025-02/02/weiterhin-antraege-auf-anerkennung-von-ddr-abschluessen
https://thueringen.de/dpa-meldungen/weiterhin-antraege-auf-anerkennung-von-ddr-abschluessen-403338
https://bildung.thueringen.de/schule/migration/anerkennung-schulabschluss
https://www.ihk.de/gera/ausbildung-weiterbildung/ausbildung/anerkennung-von-berufsabschluessen-2736952
https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=OVG%20Th%FCringen&Datum=10.11.1999&Aktenzeichen=1%20KO%20973/96