23.10.2024
Die Schattenseiten des grünen Imperiums

Entdecke die Big Five! Mit diesem Slogan werben diverse Tierparks in Afrika um zahlungskräftige Touristen. Die großen fünf sind Büffel, Löwe, Leopard, Nashorn und Elefant. Ursprünglich stammt die Bezeichnung von Jägern, für die diese Tiere als die am schwersten zu jagenden galten. Inzwischen handelt es sich jedoch um einen Marketingbegriff, und Reisende erachten einen Ferienaufenthalt in der „Wildnis“ in der Regel erst dann als gelungen, wenn sie diese fünf ikonischen Tiere sichten konnten.

Als der niederländische Großindustrielle, Milliardär und passionierte Jäger Paul van Vlissingen Anfang der Nullerjahre den Umbau und die Erweiterung des südafrikanischen Marakele-Parks in Angriff nahm, ließ er mit Bulldozern sogleich das dort dicht wuchernde Gestrüpp des Bushvelds beseitigen. Dies sei notwendig, erklärte der Geschäftsmann, weil Viehzüchter das Land ruiniert hätten. Durch grasende Kühe und den Mangel an Regen sei das Gras verschwunden und an seine Stelle Gebüsch getreten.

Der wahre Grund war ein anderer: Van Vlissingen schwebte eine Savannenlandschaft wie in der ostafrikanischen Serengeti vor, in der die Elefanten, Löwen und Nashörner, die er in Marakele aussetzen ließ, von den Safari-Touristen besser zu sehen sein sollten. Der Besuch der Wasserstellen, an denen sich die Big Five besonders gut beobachten lassen, ist freilich nur den Gästen vorbehalten, die etwa dreitausend Euro für einen Aufenthalt von zwei Nächten in einem Zweipersonenzelt hinblättern können.

Die einheimische Bevölkerung wartet bis heute auf den prophezeiten Wohlstand

Der Marakele-Park stand am Anfang eines inzwischen auf 22 große Naturparks in Afrika angewachsenen „grünen Imperiums“, das von der Nichtregierungsorganisation „African Parks“ verwaltet wird. Van Vlissingen starb 2006, doch unter seinen Nachfolgern, allen voran dem weißen Simbabwer Peter Fearnhead als Geschäftsführer, etablierte sich die Organisation nach einigen turbulenten Jahren als ein zentraler Player im Naturschutzbereich. Zahlreiche private Stiftungen, aber auch staatlich finanzierte Einrichtungen wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau und die United States Agency for International Development fördern African Parks mit hohen Summen.

Olivier van Beemen: „Im Namen der Tiere“. Wie eine NGO große Teile Afrikas beherrscht.C.H. Beck

Es fehlt überdies nicht an prominenten Unterstützern. Prinz Harry etwa fungierte einige Jahre als „Präsident“ der Organisation und sitzt mittlerweile in seinem internationalen Aufsichtsgremium. Und auch die Welt des Showbusiness hat diese NGO offenkundig ins Herz geschlossen. Ein Teil des Erlöses von Taylor Swifts Videoclip zum Song „Wildest Dreams“ war für African Parks vorgesehen, allerdings musste sich die Sängerin dann als „kolonialistisch“ kritisieren lassen. Das Video zeigt, wie sie sich an einem Filmset, das an Sydney Pollacks „Jenseits von Afrika“ erinnert, umgeben von einer weißen Filmcrew und wilden Tieren, in einen weißen Mann verliebt.

Der niederländische Journalist Olivier van Beemen, international bekannt geworden durch sein preisgekröntes Buch über die Geschäftspraktiken der Brauerei Heineken in Afrika, blickt nun hinter die Kulissen dieser vermeintlichen Erfolgsgeschichte. Und zeichnet ein ausgesprochen kritisches Bild von African Parks als einer von weißen Männern dominierten NGO, der es vor allem um Macht und Kontrolle zu gehen scheint – und die partout die Nummer eins im Naturschutz werden will.

Rassistische Zivilisationskritik

Viele hehre Verlautbarungen der Organisation entlarvt der Autor als leere Versprechungen. Die einheimische Bevölkerung wartet bis heute auf den prophezeiten Wohlstand durch Tourismus und ist zugleich von den Ressourcen der Parks abgeschnitten. Sie gilt vielmehr als ein Störfaktor, ihr Wissen wird nicht ernst genommen. „African Parks“, schreibt van Beemen, „wurde aus der rassistischen Überzeugung heraus gegründet, dass weiße Europäer und Südafrikaner sich der Parkverwaltung annehmen müssten.“ Denn, zitiert er einen früheren führenden Mitarbeiter der Organisation, „das konnten die Schwarzen nicht“.

Van Beemen thematisiert in diesem Zusammenhang knapp die auf die Kolonialzeit zurückgehende Konstruktion des ehrenwerten weißen Naturschützers, der es einfach besser weiß als die Einheimischen. Vielleicht verkörperte niemand diesen Typus so sehr wie der im Buch allerdings nicht erwähnte langjährige Direktor der Frankfurter Zoos, Tierfilmer und Buchautor Bernhard Grzimek, der mit „Serengeti darf nicht sterben“ 1960 den Oscar für den besten Dokumentarfilm gewann. Grzimek imaginierte Natur als einen unberührten Raum, gewissermaßen als „reine Wildnis“, die nicht nur von imperialer Ausbeutung, sondern vor allem durch die einheimischen Gesellschaften bedroht war. Schnelles Bevölkerungswachstum führe, so sein zentrales Credo, zu rücksichtsloser Naturausbeutung und drohe die „Tierwelt“ zu vernichten. Dieser Gefahr konnte aus seiner Sicht nur mit Bevölkerungsverschiebungen zugunsten der Natur begegnet werden.

Die Vision der Wiederherstellung einer unberührten Natur atmete ein zentrales Motiv einer bis heute existierenden rassistischen Zivilisationskritik: In Grzimeks Wahrnehmung waren die Afrikaner ein eigentlich störendes Element in ihrem eigenen Lebensraum. Inzwischen haben zahlreiche Studien zeigen können, dass etliche der klassischen Wildnisgebiete wie die Serengeti teils seit Tausenden von Jahren von Menschen bewohnt, gemanagt und auch verändert wurden. Die Naturlandschaften sind so artenreich und vielfältig aufgrund und nicht trotz der einheimischen Bevölkerung, eine Einsicht, der sich zahlreiche Naturschutzorganisationen bis heute widersetzen. African Parks verschreibt sich zwar theoretisch dem Ansatz, dass Naturschutz nur im Einklang mit der Bevölkerung vor Ort wirksam sein kann. In der Praxis wird er jedoch ohne oder sogar gegen sie gemacht.

Eine regelrechte Militarisierung des Naturschutzes

„Im Namen der Tiere“ liefert überdies viele Belege für das, was kritische Stimmen die „große Lüge im Naturschutz“ nennen. Organisationen wie African Parks präsentierten sich bei den Spendern im Westen als friedlich und liberal, in Afrika und anderen Regionen des „globalen Südens“ trügen sie jedoch grüne Uniformen und agierten elitär, gewalttätig und häufig rassistisch. Die Militarisierung des Naturschutzes hat dazu geführt, dass in manchen afrikanischen Ländern Wildhüter besser ausgestattet sind als die Soldaten der regulären Armee. Im Norden von Benin, berichtet van Beemen, haben Ranger von African Parks teilweise sogar die Bewachung der Landesgrenze vom Staat übernommen und kämpfen gegen Dschihadisten.

Auch in anderen Gebieten der Organisation sind bewaffnete Parkwächter zu neuen Macht- und Gewaltakteuren geworden, die mitunter Menschenrechtsverbrechen begehen, die von vielen westlichen Regierungen und der Öffentlichkeit jedoch vor allem als Erfolge des wehrhaften Naturschutzes gefeiert werden. Allerdings haben in letzter Zeit einige Skandale, in die African Parks involviert war, eine kritische Berichterstattung nach sich gezogen, wie etwa die Misshandlung eines einheimischen Jägers in einem von der Organisation verwalteten Nationalpark im Kongo, der mit Gürteln geschlagen und einem Waterboarding unterzogen worden war.

Der Autor findet klare Worte über die aus seiner Sicht eklatante Unfähigkeit der Verantwortlichen der NGO zur Selbstkritik.

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