20.10.2024
Direktwahl von Bürgermeistern und Landräten: Neue Herausforderungen für die Kommunalpolitik

Der Politikwissenschaftler Wolfgang Muno von der Universität Rostock beobachtet vermehrt Probleme durch die Direktwahl von Landräten, Oberbürgermeistern und Bürgermeistern, wie die Zeit am 20. Oktober 2024 berichtete. Obwohl die Idee der Direktwahl ursprünglich die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger stärken sollte, sieht Muno heute vermehrt Schwierigkeiten.

In den 1980er Jahren, als die Idee der Direktwahl aufkam, und auch noch in den 1990er Jahren, als sie in Deutschland flächendeckend eingeführt wurde, war die Parteienbindung deutlich stärker. Die etablierten Parteien konnten ihre Kandidaten durchsetzen, so Muno gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Die Mehrheitsverhältnisse in den Kommunalvertretungen waren stabil und die politische Arbeit funktionierte reibungslos.

Bürgermeister ohne Hausmacht

Diese Situation hat sich heute grundlegend geändert. Die Parteienbindung hat stark abgenommen und in den Kommunen treten vermehrt Wählerinitiativen und unabhängige Kandidaten an. Ein direkt gewählter Bürgermeister oder Landrat, der keine starke Partei hinter sich hat, sieht sich oft mit einer fehlenden Hausmacht in der Kommunalvertretung konfrontiert, was die Mehrheitsfindung deutlich erschwert.

Ein weiteres Problem ist die häufig geringe Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen. Laut Muno wird ein mit 30 oder 40 Prozent gewählter Bürgermeister oder Landrat von Kritikern oft als nicht ausreichend legitimiert angesehen.

Zusätzlich wird die politische Arbeit durch die zunehmende Polarisierung in der Gesellschaft erschwert. Politische Auseinandersetzungen werden schnell persönlich und Angriffe auf Lokalpolitiker nehmen zu.

Ein Beispiel für die Problematik der Direktwahl ist der Fall des Neubrandenburger Oberbürgermeisters Silvio Witt. Witt, der offen homosexuell ist, kündigte seinen Rücktritt für Mai 2025 an und nannte dafür unter anderem anhaltende Schmähungen aus der Stadtvertretung als Grund. Auslöser war ein Mehrheitsbeschluss der Stadtvertretung, die Regenbogenflagge am Bahnhof nicht mehr zu hissen. Der Antragsteller gab später an, dass der Beschluss dazu dienen sollte, Witt zum Rücktritt zu bewegen.

Stabilere Verhältnisse ohne Direktwahl?

Muno argumentiert, dass die Wahl des Bürgermeisters oder Landrats durch die Gemeindevertretung oder den Kreistag zu stabileren Verhältnissen und effizienterer Arbeit führen könnte. Er verweist darauf, dass die Direktwahl nicht überall eingeführt wurde. So werden die Landräte in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg weiterhin von den Kreistagen gewählt.

Quellen:

  • https://www.zeit.de/news/2024-10/20/politikwissenschaftler-wachsende-probleme-mit-direktwahlen
  • https://www.sueddeutsche.de/panorama/kommunalpolitik-politikwissenschaftler-wachsende-probleme-mit-direktwahlen-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-241020-930-2652030
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