19.10.2024
Drohungen gegen Gedenkstättenleiter nach Kritik an AfD

Leiter der Gedenkstätte Buchenwald erhält nach AfD-Kritik Drohungen

Der Stiftungsdirektor der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, sieht sich nach einem offenen Brief an die Wähler in Thüringen mit Drohungen konfrontiert. Diese Drohungen sind offenbar eine Reaktion auf seine Kritik an der Alternative für Deutschland (AfD), die in den letzten Jahren immer wieder in der Diskussion steht, insbesondere im Kontext der Landtagswahl in Thüringen, die am 1. September 2024 stattfinden soll.

In seinem Brief, der an 350.000 Thüringer Bürger über 65 Jahren versandt wurde, äußerte Wagner seine Besorgnis über die politische Entwicklung in Thüringen und warf der AfD vor, das Leiden der Opfer des Nationalsozialismus zu verharmlosen und aus der Erinnerung zu tilgen. Wagner betonte, dass die AfD eine Partei sei, die sich nicht mit der Geschichte auseinandersetze und stattdessen versuche, die Gräueltaten des Nationalsozialismus zu relativieren.

In einem Post auf der Plattform X (ehemals Twitter) berichtete Wagner, dass sein Bild in der Gedenkstätte Mittelbau-Dora auf eine Todesmarschstele geklebt worden sei. Diese Stele ist ein Mahnmal, das an die Opfer der Todesmärsche aus den Lagern des KZ-Komplexes Mittelbau-Dora erinnert. Zudem erhielt er eine E-Mail von einer Frau aus Weimar, die ihm drohte, dass er ebenso wie der verstorbene SPD-Landtagsabgeordnete Thomas Hartung eine Strafe für sein Handeln erhalten werde.

Die Gedenkstätte selbst hat die Adressen der Empfänger der Briefe nicht, jedoch wurde der Versand über die Post organisiert, die über Verteiler mit Personengruppen über 65 Jahre verfügt. Der Versand der Briefe wurde von der Kampagnenorganisation Campact finanziert, die sich für soziale und politische Themen engagiert.

Ein Sprecher der Gedenkstätte erklärte, dass die Drohungen vermutlich direkte Reaktionen auf die Postwurf-Sendungen seien. In diesem Zusammenhang wurden bereits zwei Strafanzeigen bei der Polizei erstattet. Die Polizei in Nordhausen hat die Ermittlungen aufgenommen, um die Hintergründe der Drohungen zu klären.

Die Reaktionen auf die Drohungen sind vielfältig. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) bezeichnete die Bedrohungen als inakzeptabel und kritisierte, dass Teile der Gesellschaft den Anstand verloren hätten. Sie betonte, dass es nicht hinnehmbar sei, Menschen, die sich für die Demokratie und die Erinnerungskultur einsetzen, einzuschüchtern.

Auch Mario Voigt, der Spitzenkandidat der CDU für die Thüringer Landtagswahl, äußerte sich zu den Vorfällen. Er nannte es unerträglich, dass Wagner für seine wichtige Arbeit derart angefeindet und bedroht werde. Voigt forderte, dass das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus gerade in Zeiten, in denen Antisemitismus und Menschenhass wieder zunehmen, wachgehalten werden müsse.

Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft. In aktuellen Umfragen liegt die AfD bei etwa 30 Prozent und könnte damit stärkste Kraft bei der bevorstehenden Landtagswahl werden. Dies gibt Anlass zur Sorge, dass die politische Stimmung in Thüringen sich weiter nach rechts verschieben könnte.

Wagner hat in der Vergangenheit immer wieder betont, wie wichtig es ist, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen und die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wachzuhalten. Die Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora spielen dabei eine zentrale Rolle, da sie Orte des Gedenkens und der Aufklärung sind.

Die Vorfälle rund um die Drohungen gegen Wagner werfen ein Schlaglicht auf die Herausforderungen, vor denen die Gesellschaft steht, wenn es um den Umgang mit der Geschichte und den politischen Diskurs geht. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist nicht nur eine Frage der Erinnerung, sondern auch eine Frage der Verantwortung für die Zukunft.

Die Gedenkstätte Buchenwald und Mittelbau-Dora wird weiterhin ihre Arbeit fortsetzen und sich für die Aufklärung und das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus einsetzen. Die Unterstützung aus der Gesellschaft und von politischen Akteuren ist dabei von großer Bedeutung, um die Stimme der Erinnerungskultur zu stärken und gegen jede Form von Extremismus und Intoleranz einzutreten.

Die Polizei wird die Ermittlungen zu den Drohungen gegen Wagner fortsetzen, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und die Sicherheit von Personen, die sich für die Erinnerungskultur einsetzen, zu gewährleisten.

Die Situation rund um Jens-Christian Wagner und die Gedenkstätten in Thüringen ist ein eindringlicher Appell an die Gesellschaft, sich aktiv für Demokratie, Toleranz und die Wahrung der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus einzusetzen.

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