19.10.2024
Fachkräftemangel in Kitas: Bürgermeister schlagen Alarm

Kinderbetreuung: Keine Entspannung in Sicht bei Fachkräftemangel in Kitas

Mehr als zwei Dutzend hessische Bürgermeisterinnen und Bürgermeister haben sich vor wenigen Wochen mit einem Brandbrief an die Landesregierung gewandt. Ihr Hilferuf: Der Mangel an Erzieherinnen und Erziehern in kommunalen Kitas werde von Monat zu Monat dramatischer. Es sei mittlerweile fast unmöglich, Rechtsansprüche auf einen Betreuungsplatz einzulösen. «Besserung ist aktuell nicht in Sicht», klagen die 26 Kommunen aus dem Main-Kinzig-Kreis und schlagen unter anderem vor, den Zugang zum Erzieherberuf für junge Leute mit Realschulabschluss zu erleichtern.

«Zu dem Schreiben haben wir noch keine Antwort erhalten», teilte die Bürgermeisterin von Maintal, Monika Böttcher, auf dpa-Anfrage mit. Es sei lediglich eine Zwischennachricht eingegangen, dass das Schreiben an das Sozialministerium weitergeleitet worden sei und von dort eine Antwort kommen werde. Auch in anderen Landesteilen fehlen nach wie vor Fachkräfte in Kindergärten, beispielsweise in Frankfurt. Laut einer groben Schätzung werden dort bis 2029 rund 750 weitere Erzieher und Erzieherinnen benötigt, wie eine Sprecherin mitteilte.

«Wir brauchen mehr Plätze und gut ausgebildetes Personal», hatte Bildungsdezernentin Sylvia Weber vor einigen Tagen erklärt. Sie verwies darauf, dass in Frankfurt seit 2021 vier Einrichtungen unter kommunaler Trägerschaft neu eröffnet beziehungsweise erweitert worden seien. «Große Herausforderung ist in diesem Zusammenhang die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für Kinder im Grundschulalter, der 2026 in Kraft tritt», erläuterte Weber. Um junge Menschen für den Beruf zu begeistern, sei die Werbekampagne «Erzieher*in werden? NICE!» gestartet.

In Marburg sind derzeit weniger als drei Prozent der Stellen in den 17 städtischen Kindertagesstätten unbesetzt, wie ein Sprecher mitteilte. «Das ist relativ wenig im Vergleich mit anderen Kommunen.» Dennoch herrsche eine gewisse Personalknappheit. Es fielen hohe Krankenstände ins Gewicht - sowohl in den städtischen Einrichtungen als auch in denen der Freien Träger. «Wir sehen daher momentan leider nicht, dass sich diese Situation in der nahen Zukunft entspannen wird», ergänzte der Sprecher.

Betreuungszeiten mussten reduziert werden, um die Personalknappheit zu kompensieren. «Wenn man Fachkräfte aus anderen Disziplinen zur Mitarbeit in Kindereinrichtungen gewinnen will, so muss dies auch von der tariflichen Bezahlung her interessant sein.» Konkret bedeute das: Für interessante Berufsgruppen wie Logopädie, Ergotherapie oder Physiotherapie sei die bisher mögliche Bezahlung in Kitas nicht attraktiv, gab der Sprecher zu Bedenken. In den vergangenen Monaten habe es Fälle gegeben, in denen Betreuungszeiten reduziert oder Notbetreuungen eingerichtet werden mussten. «Aufgrund von fehlendem Personal musste ein freier Träger sogar zwei Krippengruppen längerfristig schließen.»

In Bad Hersfeld fehlen derzeit nach Angaben der Stadtverwaltung fünf Erzieher und Erzieherinnen bei etwa 125 Fachkräften insgesamt. «Personal wird auch weiterhin knapp bleiben, da sich zu wenige für diesen Beruf interessieren - gemessen am Bedarf, der durch die vom Bund beschlossene Rechtszusage ausgelöst wurde», erläuterte ein Sprecher. Da Plätze fehlen, könne der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz nicht immer direkt erfüllt werden.

Der Deutsche Kitaverband fordert daher ein Umdenken in der Diskussion um den Fachkräftemangel, da in den nächsten Jahren nicht mit einer Entspannung, sondern eher noch mit einer Verschärfung des Problems gerechnet werden muss. Neue praxisbegleitende, durchlässige Wege in den Beruf, die unterschiedliche Ein-, Auf- und Ausstiegsmöglichkeiten bieten. Dies umfasst auch mehr Flexibilität und Verantwortung für Kita-Träger bei der Stellenbesetzung sowie vielfältigere Kita-Teams, ohne die Qualität der frühkindlichen Bildung zu vernachlässigen.

Forderungen des Deutschen Kitaverbands:

- Multiprofessionelle Teams: Einbindung verschiedener (Fach-)Kräfte für eine vielfältige Betreuung.

- Qualitätssicherung: Festlegung eines bundesweiten Mindestpersonalschlüssels mit einer Fachkraftquote und verpflichtender Evaluierung zur Sicherung der Qualität.

- Direkteinsteiger: Erleichterung des Berufszugangs und verbindliche Qualifizierung im Praxis-Theorie-Mix für beruflich Vorerfahrene.

- Entlohnung: Tarifliche Eingruppierung entsprechend den Qualifikationsniveaus.

- Anerkennung von Abschlüssen: Vereinfachte Anerkennung von nationalen und internationalen Abschlüssen für mehr Effizienz und Flexibilität.

- Modernisierung der Ausbildung: Modular strukturierte, vergütete Ausbildung und Aktualisierung von Curricula in Zusammenarbeit mit Fachschulen und Trägern.

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