Fördermittelprüfung nach offenem Brief Juristische Implikationen und Meinungsfreiheit
Die Kontroverse um die Überprüfung von Fördermitteln im Kontext des Gazakonflikts
Im Frühjahr 2024 entstand eine Kontroverse um die damalige Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) und die Überprüfung von Fördermitteln, die an Unterzeichner eines offenen Briefes flossen. Auslöser war ein offener Brief Berliner Hochschullehrer, die im Zusammenhang mit dem Gazakonflikt zum Teil kontroverse Forderungen formulierten. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) reagierte darauf mit der Überprüfung, welche der Unterzeichner staatliche Fördermittel erhalten. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtete darüber und hob die Unklarheit hervor, ob das Ministerium explizit förderrechtliche Konsequenzen prüfen wollte oder lediglich die Glaubwürdigkeit und öffentliche Wahrnehmung („Sprechfähigkeit“) der Unterzeichner im Fokus hatte.
Ein zentraler Punkt der Debatte ist die rechtliche Natur der Presseerklärung des Ministeriums. Es wurde diskutiert, ob diese als Verwaltungsakt einzustufen ist. Ein Verwaltungsakt ist eine hoheitliche Maßnahme mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen. Ob eine Presseerklärung diese Kriterien erfüllt, ist juristisch umstritten. Kritiker argumentierten, die Überprüfung der Fördermittel stelle eine Reaktion auf die im offenen Brief geäußerten Positionen dar und beeinträchtige somit unzulässig die Meinungsfreiheit der Wissenschaftler.
Die Vergabe und Rückforderung von Fördermitteln unterliegt komplexen rechtlichen Regelungen. Wie Baker Tilly erläutert, ist der Bewilligungszeitraum ein wesentlicher Bestandteil von Förderbescheiden. Dieser definiert den Zeitraum, für den die Mittel bewilligt sind. Eine Überschreitung kann unter Umständen zu einer Rückforderung führen. Die genauen Rechtsfolgen sind jedoch fallabhängig und richten sich nach den spezifischen Bestimmungen des jeweiligen Förderbescheids. So ist beispielsweise entscheidend, ob der Bescheid explizit vorschreibt, dass das Projekt innerhalb des Bewilligungszeitraums vollständig abgeschlossen sein muss.
Auch das Verwaltungsgericht Hannover befasste sich mit der Rückforderung von Fördermitteln, wie ein Urteil vom 11. Februar 2021 (Az.: 11 A 1908/18) zeigt. In diesem Fall wurde ein Zuwendungsbescheid für die Anschaffung von Bussen zurückgenommen, da der Empfänger vor Bescheiderlass mit dem Vorhaben begonnen hatte. Das Gericht bestätigte die Rechtmäßigkeit der Rücknahme, da der Empfänger seine Sorgfaltspflicht verletzt hatte.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Ermessen bei der Fördermittelvergabe. Ein Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 2. Januar 2024 (Az.: 10 K 1168/19) verdeutlicht, dass Schulträger ein Recht auf eine ermessensfreie Entscheidung über die Vergabe von Mitteln nach dem Kommunalförderungsgesetz haben. In diesem Fall klagte ein Schulträger erfolgreich gegen die Ablehnung seines Förderantrags.
Die Kontroverse um die Überprüfung der Fördermittel verdeutlicht die Komplexität des Fördermittelrechts und die Notwendigkeit einer transparenten und rechtssicheren Vergabepraxis. Ob die Presseerklärung des BMBF als Verwaltungsakt zu werten ist, bleibt weiterhin Gegenstand juristischer Diskussionen.
Quellen:
- Frankfurter Allgemeine Zeitung: https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/foerdermittelaffaere-deutungshoheit-im-fall-sabine-doering-110153451.html
- Baker Tilly: https://www.bakertilly.de/beitrag/ueberschreitung-des-bewilligungszeitraums-wann-droht-die-rueckforderung-von-foerdergeldern.html
- Niedersächsisches Vorschrifteninformationssystem (NI-VORIS): https://voris.wolterskluwer-online.de/browse/document/291a4ddc-294d-41c8-94db-2d26f36ee23c
- Verwaltungsgericht Arnsberg: https://schaefer-berkels.de/recht-auf-ermessenfreie-entscheidung-in-bezug-auf-die-vergabe-von-mitteln-zuwendungen-nach-dem-kommunalfoerderungsgesetz/