In Georgien finden derzeit massive Proteste statt, ausgelöst durch den Beschluss der Regierung, die EU-Beitrittsverhandlungen bis 2028 auszusetzen. Tausende demonstrieren in Tiflis und anderen Städten gegen diesen Schritt. Wie die Tagesschau berichtet, tragen viele Demonstrierende EU- und georgische Flaggen und blockieren wichtige Straßen in der Hauptstadt. Die Polizei ist massiv präsent und setzt Pfefferspray und Wasserwerfer ein. Berichte über den Einsatz von Gummigeschossen und Gewalt gegen Demonstrierende und Journalisten, wie von AFP gemeldet, verschärfen die Situation zusätzlich. Die Tagesschau meldet Verletzte auf beiden Seiten und zahlreiche Festnahmen.
Der nationalkonservative Ministerpräsident Irakli Kobachidse begründet den Regierungsbeschluss, die Beitrittsverhandlungen vorerst zu beenden und keine EU-Gelder anzunehmen, mit angeblich unangemessenem Druck seitens der EU. Er kritisiert die EU-Kritik am zunehmend autoritären Kurs seiner Partei „Georgischer Traum“. Die Tagesschau erinnert daran, dass Georgien im Dezember 2023 zusammen mit der Ukraine und Moldau den Status eines EU-Beitrittskandidaten erhalten hatte. Das Verhältnis zur EU hat sich seither jedoch deutlich verschlechtert, da die Regierungspartei zunehmend europakritisch agiert und angeblichen ausländischen Einfluss im Land zurückdrängen will.
Die proeuropäische Staatspräsidentin Salome Surabischwili unterstützt die Proteste, hat sich den Demonstrierenden angeschlossen und die Sicherheitskräfte zur Deeskalation aufgerufen. Sie fordert außerdem eine Wiederholung der Parlamentswahl vom Oktober, die von Fälschungsvorwürfen überschattet war und offiziell von der Regierungspartei „Georgischer Traum“ gewonnen wurde. Auch in anderen georgischen Städten wie Batumi, Kutaissi, Gori und Sugdidi fanden Demonstrationen statt, berichtet die Tagesschau.
Der Konflikt um den EU-Beitritt verdeutlicht die tiefe Spaltung der georgischen Gesellschaft. Während die Mehrheit der Bevölkerung einen EU-Beitritt befürwortet, verfolgt die Regierung einen zunehmend autoritären und russlandfreundlichen Kurs. Wie Julia Langbein vom ZOiS (Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien) in einer Expert*innenstimme erläutert, stehen hinter den Entscheidungen der Regierung die Interessen des Oligarchen Bidsina Iwanischwili, dessen Macht auf der Kontrolle der Justiz und klientelistischer Netzwerke basiert. Mehr Transparenz und Rechtsstaatlichkeit, wie von der EU gefordert, würden seine Machtfülle gefährden.
Die Proteste in Georgien werden als Kampf um die europäische Zukunft des Landes wahrgenommen. Der Spiegel berichtet am 8. Dezember 2024 von Angriffen vermummter Schläger auf Demonstrierende, während die Polizei untätig bleibt. Die Opposition fordert Sanktionen der EU gegen die Regierungspartei. Die Zeit analysiert in einem Artikel vom 5. Dezember 2024 die Proteste als Ausdruck der Angst der Regierung vor Machtverlust und als Kampf der Bevölkerung für Freiheit. Die Deutsche Welle berichtet über die schweren Ausschreitungen in Tiflis und die Festnahmen von Demonstrierenden.
Die EU steht vor der Herausforderung, auf die Situation in Georgien zu reagieren. Julia Langbein vom ZOiS erläutert, dass die EU die Möglichkeit hat, Sanktionen gegen führende Politiker der Regierungspartei zu verhängen oder die Visafreiheit auszusetzen. Letzteres würde jedoch die Bevölkerung treffen und könnte von der Regierung propagandistisch instrumentalisiert werden. Die EU müsse die proeuropäischen Kräfte im Land unterstützen und gleichzeitig die Kosten eines Ausstiegs aus dem EU-Beitrittsprozess für die politischen Eliten erhöhen.
Die FAZ berichtet am 8. Dezember 2024 über die Gewalt gegen Demonstrierende in Tiflis und die Passivität der Polizei. Die Opposition fordert Sanktionen gegen die Regierungspartei. Pro Asyl berichtet über die Repressionen in Georgien und die schwierige Lage von Menschen, die aus dem Land fliehen müssen. Das IPG-Journal analysiert die Situation in Georgien als Ausdruck eines drohenden Bruchs mit der EU und der Angst der Regierung vor Machtverlust.
Quellen:
- https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/vermummte-verpruegeln-in-tiflis-protestler-polizei-schaut-zu-110162059.html
- https://www.tagesschau.de/ausland/europa/georgien-protest-eu-102.html
- https://www.spiegel.de/ausland/georgien-proteste-gegen-regierung-verpruegelt-fuers-vereinte-europa-a-9c24f8ed-4dd0-4eef-b797-0dea630dc0c0
- https://www.tagesschau.de/ausland/europa/georgien-protest-polizei-104.html
- https://www.zeit.de/politik/ausland/2024-12/proteste-georgien-bidsina-iwanischwilli-europaeische-union
- https://www.zois-berlin.de/presse/expertinnenstimme/georgiens-ausstieg-aus-dem-eu-beitrittsprozess
- https://www.dw.com/de/georgien-proteste-gegen-stopp-der-eu-beitrittsgespr%C3%A4che/a-70915403
- https://www.proasyl.de/news/wer-georgien-als-sicher-bezeichnet-delegitimiert-unsere-kaempfe-fuer-die-demokratie/
- https://www.ipg-journal.de/regionen/europa/artikel/vorreiter-auf-abwegen-7475/