September 20, 2024
Hizbullah in der Krise: Herausforderungen und Perspektiven im aktuellen Konflikt

Angriffe in Libanon: Die Hizbullah im falschen Krieg

Die Hizbullah steht in einem schwierigen Abnutzungskrieg gegen Israel, der ihre militärischen und gesellschaftlichen Strukturen stark beansprucht. Der jüngste israelische Großangriff, der sich gegen die Kommunikationsinfrastruktur der Hizbullah richtete, hat nicht nur zu zahlreichen Verletzten und Toten geführt, sondern auch das Vertrauen in die militärischen Fähigkeiten der Organisation erschüttert.

Hassan Nasrallah, der Anführer der Hizbullah, sieht sich mit einer wachsenden Unzufriedenheit innerhalb seiner Reihen konfrontiert. Tausende von Kämpfern und Mitgliedern der Organisation liegen in überlasteten Krankenhäusern, während die Zahl der Verletzten und Toten, die auf die Explosionen von manipulierten Pager- und Funkgeräten zurückzuführen sind, auf etwa 3000 Verletzte und 37 Tote angestiegen ist. Diese Geräte, die mit Sprengstoff präpariert waren, wurden offenbar gezielt eingesetzt, um die Hizbullah zu destabilisieren. Berichten zufolge wurden einige der Geräte an Vollzeitkämpfer und andere an Reservisten verteilt, die im Krisenfall mobilisiert werden.

Die Demütigung, die die Hizbullah durch diesen Sabotageangriff erlitten hat, ist erheblich. Der israelische Geheimdienst hat es geschafft, einen Coup durchzuführen, der das Vertrauen in die Sicherheitsvorkehrungen der Hizbullah untergräbt. In Beirut wird bereits darüber spekuliert, ob die Hizbullah aus den Fehlern der Hamas gelernt hat, die in der Vergangenheit ebenfalls von israelischen Sicherheitsbehörden bloßgestellt wurde. Die Tatsache, dass die Hizbullah in der Lage ist, fortschrittliche Waffensysteme zu entwickeln, aber nicht in der Lage war, die Integrität ihrer Kommunikationsmittel zu überprüfen, wirft Fragen auf.

Die Verunsicherung innerhalb der Hizbullah-Gemeinschaft ist spürbar. Berichte über mögliche Sprengstoffanschläge auf alltägliche Gegenstände haben die Angst vor weiteren Angriffen geschürt. Ein Lehrer und Hizbullah-Anhänger äußerte, dass man sich nicht mehr sicher fühle, selbst in den eigenen vier Wänden. Die Forderung nach einer harten Vergeltung gegen Israel wird lauter, wobei einige Stimmen innerhalb der Organisation sogar einen offenen Krieg fordern, um die Initiative zurückzugewinnen.

Dennoch sind die Möglichkeiten für Nasrallah, eine angemessene Antwort zu geben, begrenzt. Die Entscheidungen über militärische Aktionen werden nicht nur von ihm, sondern auch von der iranischen Führung beeinflusst, die die Hizbullah über Jahre hinweg unterstützt hat. Die Hizbullah ist nicht nur eine militärische Kraft im Libanon, sondern auch ein wichtiges strategisches Instrument für Teheran, das zur regionalen Machtprojektion und Abschreckung dient.

Die Hizbullah hat sich in der Vergangenheit bemüht, ihre militärischen Operationen gegen Israel zu kalibrieren, um einen größeren Konflikt zu vermeiden, der ihre Position im Libanon gefährden könnte. Teheran hat bisher gezögert, die Hizbullah in einen unkontrollierten Krieg zu führen, da dies die innerlibanesische Stabilität gefährden könnte. Die Organisation hat sich daher darauf konzentriert, ihre Schläge gegen Israel in einem kontrollierten Rahmen durchzuführen.

Die aktuelle Situation hat die Hizbullah in eine prekäre Lage gebracht. Nach der Eröffnung einer neuen Front an der israelisch-libanesischen Grenze am 8. Oktober zur Unterstützung der Hamas hat die Hizbullah eine Reihe von militärischen Rückschlägen erlitten. Israel hat seine Angriffe auf militärische Infrastruktur und Kommandeure der Hizbullah intensiviert, was zu einem stetigen Verlust ihrer Abschreckungsfähigkeit führt.

In einer Rede an seine Anhänger versuchte Nasrallah, die Probleme der Organisation zu relativieren. Er betonte, dass man trotz der Rückschläge weiterhin auf dem Weg zum Sieg sei, solange Israel seine strategischen Ziele nicht erreiche. Diese Rhetorik könnte jedoch nicht ausreichen, um die wachsende Unzufriedenheit innerhalb der eigenen Reihen zu besänftigen.

Einige Experten glauben, dass eine israelische Invasion in den Libanon für die Hizbullah eine „historische Chance“ darstellen könnte. In einem Guerillakrieg hat die Hizbullah in der Vergangenheit erfolgreich gegen Israel gekämpft. Eine Bodenoffensive könnte die Verluste auf beiden Seiten ausgleichen und das Selbstwertgefühl der Hizbullah stärken. Nasrallah selbst hat in seinen Äußerungen angedeutet, dass eine solche Invasion möglicherweise als Wendepunkt im Konflikt gesehen werden könnte.

Die geopolitischen Implikationen dieser Situation sind erheblich. Die Hizbullah ist nicht nur eine militärische Kraft, sondern spielt auch eine wichtige Rolle in der politischen Landschaft des Libanon. Ihre Fähigkeit, den Druck auf Israel aufrechtzuerhalten, ist entscheidend für ihre Legitimität und ihren Einfluss im Libanon. Gleichzeitig ist die internationale Gemeinschaft besorgt über die Möglichkeit einer weiteren Eskalation des Konflikts, die nicht nur den Libanon, sondern die gesamte Region destabilisieren könnte.

Die Situation bleibt angespannt, und die kommenden Wochen könnten entscheidend dafür sein, wie sich der Konflikt zwischen der Hizbullah und Israel weiterentwickeln wird. Die internationale Gemeinschaft beobachtet die Entwicklungen genau, während die Hizbullah und ihre Unterstützer in Teheran strategische Entscheidungen treffen müssen, die weitreichende Folgen haben könnten.

Insgesamt zeigt die aktuelle Lage, dass die Hizbullah sich in einem komplexen und gefährlichen Spiel befindet, in dem sowohl militärische als auch politische Überlegungen eine Rolle spielen. Die Herausforderungen, vor denen sie steht, sind sowohl intern als auch extern, und die kommenden Entscheidungen werden entscheidend für ihr Überleben und ihre Rolle im Libanon und darüber hinaus sein.

Quellen: F.A.Z., Washington Post, Reuters, dpa, AFP

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