23.10.2024
Künstliche Politiker und die Anziehungskraft des Autoritären Die ARD Dokumentation Der Autokraten Code

Die ARD-Dokumentation „Der Autokraten-Code“ von Alexandra Hardorf und Christiane Schwarz, die kürzlich in der ARD Mediathek startete, widmet sich einem hochaktuellen und gleichzeitig beunruhigenden Thema: der Erschaffung eines virtuellen Politikers mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI). Sechs Experten aus verschiedenen Disziplinen – von Philosophie über Marketing bis hin zu Computergrafik – stellen sich im Rahmen des Experiments die Frage, wie ein solcher KI-Politiker aussehen und vor allem wie er die Sprache der Verbitterung und des Ressentiments sprechen müsste, um bei denjenigen Menschen Gehör zu finden, die von der Demokratie und ihren Werten enttäuscht sind.

„Seit mehr als hundert Jahren grübeln Linke und Linksliberale, wie es zugeht, dass aus der bürgerlichen Welt gewisse Figuren hervorgehen, die zugleich rebellisch (wider universalistisch den Menschenrechten verpflichtete Mächte) als auch gehorsam (ihrem Führer oder irgendeiner anderen, jeder Kritik enthobenen Instanz) herumpolitisieren“, schreibt Dietmar Dath in seiner Rezension der Dokumentation in der F.A.Z. Die Dokumentation greift diese Frage auf und versucht, mithilfe moderner Technologie eine Antwort zu finden.

Die Expertengruppe bedient sich dabei der Hilfe von zwei bekannten Sprachmodellen: Llama und ChatGPT. Sie lassen diese Modelle tausende politische Tweets analysieren, um daraus ein Profil für ihren künstlichen Politiker zu erstellen. Interessanterweise zeigen sich bereits in dieser frühen Phase des Experiments Unterschiede zwischen den beiden Modellen: Der von ChatGPT entworfene Politiker gibt sich gemäß Dath „weicher“, während Llama einen Kandidaten hervorbringt, dessen Rhetorik an der Grenze zur rechtsextremen Demagogie angesiedelt ist. Die Dokumentation zeigt diesen Prozess der „Autokraten-Erschaffung“ auf eine erfrischend direkte und unprätentiöse Art und Weise. Die Experten diskutieren die Ergebnisse der KI-Analyse offen und kontrovers und scheuen sich nicht davor, auch ihre eigenen Vorbehalte zu artikulieren.

Neben der praktischen Arbeit mit den Sprachmodellen kommen in der Dokumentation auch renommierte Wissenschaftler wie die Informatikerin Wendy Hall und ihr Kollege Geoffrey Hinton, der kürzlich den Nobelpreis erhielt, zu Wort. Sie liefern wertvolle Hintergrundinformationen zum Thema KI und warnen vor den potenziellen Gefahren, die von dieser Technologie ausgehen. So weist Hinton beispielsweise darauf hin, dass die Frage, ob ein künstliches neuronales Netz bei ausreichender Datenmenge in der Lage ist, menschenähnliches Sprachverhalten zu imitieren, inzwischen beantwortet sei.

Kritisch anzumerken ist, dass die Dokumentation an einigen Stellen die Möglichkeit verpasst, die Erkenntnisse und Theorien klassischer Denker wie Sigmund Freud oder des Soziologen Max Weber in die Betrachtung miteinzubeziehen. Gerade Webers Konzept der „charismatischen Herrschaft“, das er bereits 1919 entwickelte, hätte wertvolle Einblicke in die Funktionsweise autoritärer Systeme liefern können.

Dennoch ist „Der Autokraten-Code“ eine sehenswerte Dokumentation, die wichtige Fragen aufwirft und den Zuschauer zum Nachdenken anregt. Besonders aufschlussreich ist das Interview, das Caren Miosga mit dem virtuellen Politiker „Herrn Pseudo-Weber“ führt. Die Irritation der Moderatorin, als der KI-Politiker sich selbst als „Führer“ bezeichnet, macht deutlich, wie schnell die Grenzen zwischen Realität und Simulation verschwimmen können.

Die Dokumentation zeigt eindrücklich, dass die Gefahr, die von populistischen und autoritären Strömungen ausgeht, real ist. Die Tatsache, dass sich selbst im Jahr 2024 Menschen von einem künstlich erschaffenen Politiker angesprochen fühlen, stimmt nachdenklich. „Der Autokraten-Code“ ist daher nicht nur ein Film über die Möglichkeiten und Gefahren der KI, sondern auch ein Spiegelbild unserer Gesellschaft und ihrer Anfälligkeit für einfache Antworten und vermeintlich starke Führerfiguren.

Quelle: F.A.Z. (https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/ki-doku-der-autokraten-code-in-der-ard-fuehrer-im-stresstest-110065132.html)

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