Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach intervenierte im Frühjahr 2022 und stoppte eine vom Robert Koch-Institut (RKI) geplante Absenkung der Corona-Risikostufe. Wie die „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR berichten, beabsichtigte das RKI, die Bewertung von „sehr hoch“ auf „hoch“ zu reduzieren. Lauterbach lehnte dies jedoch ab, mit der Begründung, die Herabstufung sei „politisch nicht gewünscht“. Ein Protokoll des RKI-Krisenstabs vom 25. Februar 2022 vermerkt laut „Süddeutscher Zeitung“ (27.11.2024): „Reduzierung des Risikos von sehr hoch auf hoch wurde vom BMG abgelehnt.“
Lauterbach verteidigt sein Vorgehen weiterhin. Auf Twitter und gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“, NDR und WDR argumentierte er, eine Herabstufung im Februar 2022, zu einem Zeitpunkt mit noch hunderten täglichen Covid-19-Todesfällen, wäre falsch gewesen. Der Spiegel berichtete online am 27.11.2024, dass eine solche Herabstufung „das falsche Signal“ gesetzt hätte, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehende Ministerpräsidentenkonferenz.
Die Risikobewertung des RKI ist, wie die „Süddeutsche Zeitung“ erläutert, eine qualitative Einschätzung, basierend auf der Interpretation verschiedener Daten, ohne festgelegte quantitative Schwellenwerte für die einzelnen Risikostufen. Diese qualitative Natur ermöglicht Interpretationsspielraum.
Die „Süddeutsche Zeitung“ stellt die Frage nach möglichen parteipolitischen Motiven für Lauterbachs Entscheidung, beispielsweise um mehr Unterstützung für eine Impfpflicht im Bundestag zu sichern. Im April 2022 wurden verschiedene Anträge zur Impfpflicht abgelehnt. Im Sommer 2022 erhob FDP-Vize Wolfgang Kubicki Vorwürfe gegen Lauterbach nach der Veröffentlichung ungeschwärzter Dokumente des Corona-Krisenstabs. Kubicki forderte Lauterbachs Rücktritt und beschuldigte ihn der Lüge und der Beschädigung der Regierung während der Pandemie. Lauterbach wies die Vorwürfe zurück.
Die Tagesschau berichtete am 27.11.2024 über interne E-Mail-Kommunikation zwischen Lauterbach und dem damaligen RKI-Präsidenten Lothar Wieler. Demnach verhinderte Lauterbach über Monate die Herabstufung der Risikostufe, obwohl das RKI diese für angemessen hielt. Wieler informierte Lauterbach bereits im Februar 2022 per E-Mail über die Absicht des RKI, die Risikostufe aufgrund der milderen Verläufe der Omikron-Variante im Vergleich zur Delta-Variante herabzusetzen. Lauterbach lehnte dies ab.
Das RKI erklärte auf Anfrage, dass die Risikobewertungen zwar auf wissenschaftlichen Kriterien beruhen, aber auch einen normativen Charakter haben und somit in den Verantwortungsbereich des Gesundheitsministeriums für das Krisenmanagement fallen. Lauterbach betonte gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“, NDR und WDR, es sei seine Aufgabe, politische Schlussfolgerungen aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu ziehen.
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