September 20, 2024
Lufthansa überdenkt Peking-Verbindungen aufgrund wirtschaftlicher und geopolitischer Herausforderungen

Warum Lufthansa ihre Peking-Flüge infrage stellt

Die Deutsche Lufthansa steht vor der Entscheidung, ihre Flüge von Frankfurt nach Peking möglicherweise einzustellen. Diese Überlegung wurde von Vorstandsvorsitzendem Carsten Spohr auf einer internen Mitarbeiterveranstaltung angedeutet. Offiziell ist jedoch noch keine Entscheidung getroffen worden; eine endgültige Entscheidung wird für Oktober erwartet, wie ein Unternehmenssprecher mitteilte. Intern wird jedoch kaum noch an einem Fortbestand der Verbindung festgehalten.

Aktuell müssen Passagiere, die mit Lufthansa nach Peking fliegen möchten, in München abfliegen, da die Verbindung von Frankfurt aus möglicherweise wegfällt. In Frankfurt bleibt den Reisenden nur die Möglichkeit, auf die chinesische Fluggesellschaft Air China auszuweichen, die bereits 17 Flüge pro Woche nach Peking anbietet – fast dreimal so viele wie Lufthansa, die derzeit nur einen täglichen Flug im Programm hat.

Ein weiterer europäischer Anbieter, British Airways, hat bereits entschieden, die Verbindung zwischen London und Peking nicht mehr anzubieten. Während Lufthansa zunächst optimistisch war, an ihren Flügen nach Peking festzuhalten, gibt es nun kaum noch Anzeichen für eine Fortführung dieser Route.

Gründe für die Überprüfung der Flüge

Die Entscheidung, die Flüge nach Peking infrage zu stellen, basiert auf mehreren Faktoren. Zunächst ist das Passagieraufkommen auf dieser Strecke noch nicht auf das Niveau vor der Corona-Pandemie zurückgekehrt. Die Erwartungen für 2023 waren optimistisch, da der Verkehr in die USA stark angestiegen ist und eine ähnliche Entwicklung für 2024 in Richtung China erwartet wurde. Diese Prognosen haben sich jedoch nicht erfüllt.

Ein weiterer wesentlicher Faktor ist die geopolitische Lage. Lufthansa und andere westliche Fluggesellschaften sind gezwungen, den russischen Luftraum zu umfliegen, was zu längeren Flugzeiten und höheren Kosten führt. Im Gegensatz dazu können chinesische Airlines den direkten Luftraum über Russland nutzen, was ihnen einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Diese Umflüge führen dazu, dass Lufthansa die Strecke derzeit mit dem älteren Airbus A340 bedient, der einen höheren Kerosinverbrauch hat. Die Auslieferung neuer Langstreckenjets von Boeing hat sich zudem erheblich verzögert, was die Situation weiter verschärft.

Sparmaßnahmen und wirtschaftliche Herausforderungen

Zusätzlich zu den oben genannten Faktoren hat Lufthansa ein Sparprogramm eingeführt, um die finanziellen Verluste ihrer Kernmarke zu minimieren. Im ersten Halbjahr 2024 verzeichnete das Unternehmen einen operativen Verlust von 442 Millionen Euro vor Zinsen und Steuern. Der Gesamtverlust des Konzerns war in diesem Zeitraum weniger als halb so hoch. Trotz des Ziels, die Kernmarke ohne Fehlbetrag zu führen, wird dies zunehmend als herausfordernd angesehen.

In Reaktion auf die finanziellen Schwierigkeiten werden auch Flugstreichungen nicht ausgeschlossen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Flüge von Frankfurt nach Peking nach einer Entscheidung kurzfristig eingestellt werden. Zudem wurde die Wiederaufnahme der Flüge von München nach Hongkong bereits verschoben, was auf ähnliche Überlegungen zurückzuführen ist.

Wettbewerbsnachteile für Lufthansa

Lufthansa sieht sich jedoch nicht nur internen Herausforderungen gegenüber. Der Konzern beklagt einen „extrem ungleichen Wettbewerb“ in der Luftfahrt, der auch durch politische Rahmenbedingungen verstärkt wird. Der Branchenverband BDL hat darauf hingewiesen, dass die gestiegenen staatlichen Abgaben dazu führen, dass der Flugverkehr in Deutschland nur 82 Prozent des Niveaus vor der Pandemie erreicht hat, während andere europäische Länder bereits 102 Prozent erreicht haben.

Darüber hinaus genießen Airlines aus Nicht-EU-Staaten, wie beispielsweise Air China, Turkish Airlines und die Golfgesellschaften, erhebliche Vorteile. Diese Airlines profitieren von niedrigeren Standortkosten, geringeren sozialen Standards und hohen staatlichen Investitionen in den Luftverkehrssektor. Im Gegensatz dazu sehen sich europäische Airlines zunehmend mit politischen Rahmenbedingungen konfrontiert, die ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen.

Die chinesischen Airlines haben ihr Flugangebot schneller wieder hochgefahren, da es ihnen einfacher gemacht wurde, die Verbindungen zu aktivieren. Es besteht der Verdacht, dass sie versuchen, westliche Konkurrenten von den Routen nach China zu verdrängen, indem sie mit günstigen Preisen und vielen verfügbaren Plätzen locken. Obwohl die Anzahl der Linienflüge zwischen Deutschland und China durch ein bilaterales Verkehrsabkommen begrenzt ist, können chinesische Airlines den verfügbaren Rahmen besser ausschöpfen. Ab 2025 ist zudem eine stufenweise Aufstockung des Erlaubten um bis zu acht Flüge pro Woche geplant.

Insgesamt steht Lufthansa vor einer komplexen Herausforderung, die sowohl interne als auch externe Faktoren umfasst. Die Entscheidung, die Flüge nach Peking infrage zu stellen, ist Teil eines umfassenderen Sparprogramms und einer strategischen Neuausrichtung, um den Herausforderungen des Marktes und der geopolitischen Lage gerecht zu werden.

Quellen: FAZ, Spiegel, t-online.

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