Der brasilianische Tänzer und Choreograf Marcos Abranches, geboren 1977, gastiert derzeit am Staatstheater Darmstadt. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet, ist Abranches einer der wenigen Choreografen weltweit, der mit Zerebralparese arbeitet. Diese Bewegungsstörung, die durch Sauerstoffmangel bei der Geburt verursacht wurde, prägt seinen künstlerischen Ausdruck und verleiht ihm eine einzigartige Körpersprache.
Abranches entdeckte seine Leidenschaft für den zeitgenössischen Tanz im Alter von 18 Jahren. Seitdem hat er einen bemerkenswerten Weg zurückgelegt, der ihn von der Wahrnehmung seiner körperlichen Behinderung hin zu der Erkenntnis führte, dass er eine besondere Aufgabe hat: Durch seine Kunst zu zeigen, dass Menschen mit Behinderungen unbegrenzte Möglichkeiten haben, ihre Gefühle auszudrücken.
Seine jüngsten Werke, darunter "O Grito" (Der Schrei), inspiriert von Edvard Munchs Gemälde, sowie "O Idiota" und "O Krocodilo", basierend auf der Literatur Fjodor Dostojewskis, zeugen von seiner künstlerischen Vielseitigkeit. Einem breiteren Publikum in Deutschland wurde er durch seine Mitwirkung an Christoph Schlingensiefs Inszenierung von "Jeanne d’Arc" an der Deutschen Oper Berlin bekannt.
In Darmstadt ist Abranches als Artist in Residence engagiert und wirkt in Søren Schuhmachers Neuinszenierung von Glucks "Orphée et Eurydice" mit. Wie das Staatstheater Darmstadt auf seiner Webseite mitteilt, verkörpert er dort die Psyche und den Tod, zwei Figuren, die in der Originaloper nicht vorkommen. Seine Performance, die von zuckenden Bewegungen, unverständlichen Rufen und Stürzen geprägt ist, konfrontiert das Publikum mit der Frage, was Ausdruck künstlerischen Willens und was unwillkürliche Körperreaktion ist. Diese Mischung aus Irritation und Faszination macht seine Auftritte zu einem besonderen Erlebnis.
Neben seiner Rolle in "Orphée et Eurydice" präsentiert Abranches in Darmstadt auch Solo-Performances wie "Canto dos Malditos" (Lied der Verdammten), "Avessos" (Von innen nach außen) und "Corpo sobre tela" (Körper auf Leinwand). In "Canto dos Malditos", so beschreibt es ein Instagram-Post des Staatstheaters Darmstadt, windet sich Abranches am Boden, würgt Worte hervor und schimpft, begleitet von Heavy Metal und Opernarien. Die fast 40-minütige Performance ist ein eindrückliches Zeugnis seines Kampfes und Leidens.
Das Hessische Staatsballett bietet im Rahmen seiner Residenz Einblicke in Abranches' Arbeit. Ein Workshop für alle Körper und ein Work-in-Progress-Showing ermöglichen es Interessierten, seine Tanzmethode DanceAbility kennenzulernen, die Menschen mit und ohne Behinderungen integriert. Wie auf der Webseite des Hessischen Staatsballetts zu lesen ist, erforscht Abranches in "Avessos" verschiedene Stilrichtungen wie Butoh und Contact Improvisation und schafft ein Kaleidoskop der Ausdrucksformen.
Die Präsenz von Marcos Abranches in Darmstadt ist ein starkes Zeichen für Inklusion im Kulturbetrieb. Er beweist, dass Kunst nicht an körperliche Normen gebunden ist und dass gerade die Andersartigkeit eine Quelle der Inspiration und Bereicherung sein kann.
Quellen: