19.10.2024
Maria Gorbatschova über alkoholfreie Drinks und die Zukunft der Barkultur

Maria Gorbatschova, die vom „Mixology“-Magazin zur „Bartenderin des Jahres“ gekürt wurde, erzählte im Interview mit der FAZ davon, wie sie zum Beruf der Bartenderin kam. Ursprünglich habe sie in der Gastronomie gearbeitet, neben dem Abitur und dem Studium. Irgendwann habe sie dann ihre Leidenschaft für das sensorische, für den Geschmack entdeckt und nutze dies nun beruflich.

Auf die Frage nach ihrem Lieblingsrezept antwortete sie, dass sie eigentlich jede Woche neue Rezepte entwickle. Ihre große Leidenschaft sei jedoch Tee, mit dem sie besonders gern arbeite.

Gorbatschova hat an der Universität der Künste in Berlin Produktdesign studiert und ihre Abschlussarbeit über Cocktailgläser geschrieben. Auf die Frage, wie ein gutes Cocktailglas aussieht, nennt sie Funktionalität als wichtigstes Merkmal. Als Beispiel für ein nicht funktionales Cocktailglas nennt sie die klassische Martinischale. Zwar sehe diese schön aus, sei aber unpraktisch, da beim Trinken häufig etwas danebenläuft. Außerdem könne man sie schlecht tragen, da die Wahrscheinlichkeit sehr groß sei, dass die Drinks beim Tragen auf dem Tablett überschwappen.

Die von Gorbatschova seit 2018 geleitete Green Door Bar gewann ebenfalls einen Preis und wurde in der Kategorie „Bar des Jahres“ ausgezeichnet. Seit der Übernahme der Leitung hat Gorbatschova viel verändert. Grundsätzlich verändere sich in der Bar immer etwas, so Gorbatschova, denn sonst würde es langweilig werden. Sie könne nicht in einer Bar arbeiten, in der es fünf Jahre lang dieselbe Karte gebe. Wenn man immer die gleichen Drinks mache, würde der Job schnell zur roboterartigen Tätigkeit.

Einzigartig mache die Bar das Interieur, die Form und die Farben. Die Bar wirke wie aus der Zeit gefallen und lasse sich schwer einer bestimmten Epoche zuordnen. Genau das sei die Stärke der Bar, sie habe keinen Zeitstempel.

Das Motto der Bar lautet „The power of positive drinking“. Dies stamme vom verstorbenen Gründer Fritz Müller-Scherz, so Gorbatschova, und sei nicht ihr eigenes. Man habe das Motto übernommen, weil man es witzig finde. Ihr persönlich sei ein verantwortungsbewusster Umgang mit Alkohol sehr wichtig. Daher biete man auch viele nicht alkoholische Getränke an. Man nehme das Thema ernst und achte darauf, dass alkoholfreie Cocktails nicht wie Limonade schmecken, sondern wirklich wie ein Drink. Man stecke da genauso viel Arbeit rein wie in alkoholische Cocktails. Insgesamt liege der Fokus auf Drinks, die weniger alkoholhaltig sind. Drinks mit einem hohen Alkoholgehalt könne man natürlich auch bestellen, sie seien aber nicht der Schwerpunkt. In der Bar gehe es maßgeblich ums Aroma, das Zusammensein und darum, einen schönen Ort zu schaffen.

Im Vordergrund stehe also die Wohlfühlatmosphäre. Ob die Leute das aktuell in einer Bar suchen? Bars seien für sie soziale Orte, an denen man Freunde treffe, so Gorbatschova. Man gehe in eine Bar, um Spaß zu haben, und nicht, um sich zu betrinken.

In der Green Door Bar arbeite man im Team. Das bedeute, dass alle die gleiche Arbeit machen. Jeder könne alles: Cocktails mixen, Gäste bedienen und auch mal abwaschen, wenn es sein muss.

Auf die Frage, ob der Beruf des Bartenders immer noch ein Männerberuf sei, antwortet Gorbatschova, dass sich das in den letzten Jahren sehr geändert habe. Es gäbe immer mehr Frauen, die hinter dem Tresen arbeiten. Das sei auch gut so.

Im weiteren Verlauf des Interviews erzählt Gorbatschova von ihrer Arbeit als Kreativdirektorin für Bars und Spirituosen. Sie berate Bars bei der Gestaltung ihrer Getränkekarte und entwickle neue Cocktailrezepte.

Gorbatschova verrät, dass sie gerne mit saisonalen und regionalen Zutaten arbeite. Es sei ihr wichtig, dass die Drinks nicht nur gut schmecken, sondern auch eine Geschichte erzählen.

Zum Abschluss des Interviews gibt Gorbatschova noch einen Tipp für alle, die gerne Cocktails trinken: „Probiert neue Sachen aus! Es gibt so viele tolle Drinks da draußen. Lasst euch von einem guten Bartender beraten.“

Quelle: https://www.faz.net/aktuell/stil/essen-trinken/getraenke/maria-gorbatschova-warum-weniger-alkohol-mehr-geschmack-ist-110049876.html

In einem Artikel des Mixology Magazins vom 08. August 2024 erklärt Gorbatschova, dass der Alkoholkonsum deutlich abnehme. Laut einer EU-Statistik trinke über ein Viertel der Erwachsenen in der Europäischen Union überhaupt keinen Alkohol. Weltweit sei fast die Hälfte aller Erwachsenen abstinent. Bei Menschen unter 30 sei die Zahl der Nicht- Trinkenden wesentlich höher als in den Generationen davor, Tendenz steigend.

Für Gastronomiebetriebe bedeute dies, dass sie sich mit diesen Trends auseinandersetzen müssten, um langfristig erfolgreich zu bleiben. Low and No Drinks seien daher Themen, mit denen sich Bartender in Zukunft intensiver beschäftigen müssten. Für Early Adopter könne dies große Chancen bieten, denn Gastronomie-Betriebe fungierten als soziale Orte des Austauschs, als dritte Orte, und nicht einzig zum Zweck des Alkoholkonsums. Abstinente Menschen gingen ebenso auf Dates, träfen sich mit Freunden oder wollten am Wochenende ausgehen. Es gebe keinen guten Grund, ihnen das zu verwehren. 

In der Green Door Bar liege der Fokus auf Low- und Mid ABV Drinks. Sehr kräftige Drinks schafften es selten auf die Karte, könnten aber natürlich bestellt werden. Im Falle von Low ABV sei der Fall der Drink-Kreation recht einfach. Man arbeite sehr gern mit Produkten wie Wermut, Madeira, Port, Sherry, Sake, Pineau, Poiré, Makgeolli, Wein oder auch einfach kleinen Mengen an Spirituosen. Dazu kämen häufig hausgemachte Cordials oder seltener Shrubs zum Süßen. Sirupe kämen fast nie zum Einsatz, zuckrige Drinks seien nicht so ihr Ding. Ein Erdbeer Cordial habe 80% frisch gepressten und anschließend mit Agar Agar geklärten Erdbeersaft und nur 20% Zucker, dazu 2% Ascorbinsäure und Zitronensäure zum haltbar machen. Dadurch bekomme man wesentlich mehr Frucht-Aroma in einen Drink als mit Sirup und brauche weniger Säure. Meistens komme Verjus zum Einsatz, aber auch Zitrussäfte oder sehr hochwertige Essige. Auch ein Manzanilla oder Fino könne etwas Süße ausbalancieren. Die Formel sei: viel Aroma, dabei eher wenig Zucker, wenig Säure. Drinks mit viel Sirup auf noch mehr Säure seien ihr persönlich häufig zu süß und zu sauer zugleich. Später verstärke der Zucker den Kater und die Säure sorge für Sodbrennen.

Bei der Kreation von alkoholischen Drinks könne grundsätzlich bedacht werden, wie eine alkoholfreie Variante aussehen könnte. Dadurch steige der Absatz alkoholfreier Drinks, denn häufig stehe eine zu kleine Auswahl der Bestellung von einem zweiten oder dritten Drink im Wege. Je größer das Angebot, desto mehr bestellten Gäste und kämen anschließend wieder. 

Technisch gesehen gebe es beim Arbeiten ohne Alkohol einige Dinge zu beachten. Alkohol setze den Gefrierpunkt von Flüssigkeiten herunter. Ein geshakter Drink komme auf -5 bis -8 Grad Celsius. Ein alkoholfreier Cocktail könne unter 0 Grad kommen, da Zucker und andere Zusätze den Schmelzpunkt ebenfalls herabsetzten, werde aber bei gleicher Zubereitung wesentlich wärmer als ein alkoholischer Drink sein. Ein in der Schale servierter alkoholfreier Drink werde also schneller warm. Man sollte ausprobieren, ob der Drink das vertrage, und ansonsten auf Eis setzen.

Was alkoholfreien Drinks häufig fehle, sei die Komplexität und teils das Mundgefühl. Dabei gebe es sehr viele Zutaten, die diese mitbrächten und alkoholfrei seien. Man arbeite gern mit Hydrolaten, Essenzen, Tee, Horchata, ausgewählten alkoholfreien Alternativen zu Spirituosen, Fermenten wie Kombucha und Cordials oder Shrubs, die sowieso für die alkoholischen Cocktails aus saisonalen Zutaten hergestellt würden. Es gebe so viele Möglichkeiten, Aroma und Textur in einen Drink zu bekommen.

Bei der Herstellung hausgemachter Zutaten oder dem Prebatchen von alkoholfreien Drinks müsse unbedingt auf Hygiene geachtet werden. Alkohol wirke sehr gut, um haltbar zu machen. Fehle er, könnten sich schnell bei unzureichender Sauberkeit Schimmelpilze bilden oder Hefen anfangen, Zucker zu Alkohol zu vergären. Sehr sauberes Arbeiten, sterilisierte Flaschen und anschließende Kühlung sollten selbstverständlich sein.

Aus sensorischer Sicht sei Alkohol nicht komplett ersetzbar. Alkohol sei ein extrem guter Trägerstoff für Aromen, und nicht jedes Aroma sei ebenso gut in Wasser löslich wie in Alkohol. Das falle zum Beispiel bei Gin auf, alkoholfreie Produkte trügen die Wacholder-Note wesentlich dezenter. Ein Dry Martini mit alkoholfreiem Gin, der genauso schmecke wie einer mit Alkohol? Das sei nicht machbar, und das müsse ja auch nicht das Ziel sein. Man solle alkoholfreie Produkte als eigene Kategorie sehen und nicht so streng mit Spirituosen vergleichen. Mundgefühl und Aroma seien da völlig anders, und im Gegensatz zu Spirituosen seien sie nicht für den puren Konsum gemacht. Es seien einfach nur Zutaten, die in einen Drink eingebaut werden müssten.

Es sei ein feiner, aber wichtiger Unterschied, ob der Drink tatsächlich alkoholfrei sei, also 0,0% Alkohol habe. Gesetzlich gesehen liege die Obergrenze für alkoholfreie Getränke wie alkoholfreies Bier bei 0,5%. Ein alkoholfreier Drink könne also auch mal einen Dash Cocktail Bitter enthalten und trotzdem als alkoholfrei bezeichnet werden. Wenn man es genau nehmen wolle, könne man in der Karte 0,0% und >0,5% ausweisen. Manche Gäste wollten aus religiösen Gründen oder wegen einer Schwangerschaft vielleicht komplett auf Rückstände von Alkohol verzichten. Im Alltag sei die komplette Abstinenz allerdings unwahrscheinlich, denn selbst Fruchtsäfte, reife Bananen, Miso, Essige oder sogar Brot kämen zum Teil auf unbedenkliche 0,3-0,4% Alkohol. Trockenen Alkoholikern sei dagegen auch vom 0,0% Bier abzuraten. Aussehen, Geschmack oder auch das Setting einer Bar könnten hier zum Rückfall führen, selbst wenn das Getränk selbst komplett alkoholfrei sei.

Quelle: https://www.barconvent.com/de-de/blog/barculture/low-and-no-drinks.html

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