18.10.2024
US-Wahlkampf Außenpolitik im Schatten der Innenpolitik

Joe Biden flog über den Atlantik, auf dem Weg nach Deutschland, als die Meldung vom Tod des Hamas-Chefs Jahia Sinwar die Runde machte. Jedenfalls offiziell. Sein Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan informierte die mitreisenden Reporter, die hinten in der Air Force One saßen. Er wisse wegen des fehlenden Wlan-Netzes nicht, ob sie davon gehört hätten, sagte Sullivan, wie „die Süddeutsche Zeitung“ später berichtete. „Es ist ein guter Tag für die Welt“, sprach der US-Präsident dann nach der Landung in Berlin. Sinwar habe „eine Menge Blut an seinen Händen – amerikanisches Blut, israelisches Blut und anderes“.

Mit Israels Premier Benjamin Netanjahu hatte er da bereits telefoniert und seine Glückwünsche ausgerichtet, die beiden sind sonst nicht immer einer Meinung. Auch Kamala Harris äußerte sich schnell, mitten im Wahlkampf an der Universität von Wisconsin in Milwaukee. Mit Sinwars Tod sei „der Gerechtigkeit Genüge getan“ worden, sie nannte ihn das Mastermind der Angriffe auf Israel vom 7. Oktober vor einem Jahr.

Jetzt könne der Krieg in Gaza endlich beendet werden, fügte die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten hinzu. Und zwar so, „dass Israel sicher ist, die Geiseln freigelassen werden, das Leiden in Gaza ein Ende hat und das palästinensische Volk sein Recht auf Würde, Sicherheit, Freiheit und Selbstbestimmung verwirklichen kann“. Es sei an der Zeit, „dass der Tag danach ohne die Hamas an der Macht beginnt“. Große Worte, großes Thema, gut zwei Wochen vor Amerikas großer Wahl, Kamala Harris gegen Donald Trump.

Harris muss weltpolitisch auftreten

Harris muss in solchen Augenblicken weniger als Wahlkämpferin auftreten denn als Weltpolitikerin. Sie stand vor der US-Flagge am Pult mit dem Wappen der Vizepräsidentin. Aber kümmert ihre Landsleute das überhaupt? Es heißt ja immer, Außenpolitik sei in amerikanischen Wahlkämpfen eher kein Thema. „It’s the economy, stupid“, man erinnert sich. James Carville formulierte 1992 diesen Satz, der zum geflügelten Wort wurde.

Bill Clinton gewann damals gegen den republikanischen Amtsinhaber George Bush, Carville war Bill Clintons Stratege. Auf die Wirtschaft also kommt’s an, Dummkopf. Das ist auch in den USA im Herbst 2024 keine falsche Erkenntnis. Es geht um die Preise im Supermarkt, an der Tankstelle, für Häuser und deren Hypotheken. Alles recht teuer, wenn auch zunehmend stabil. Trump wettert bevorzugt über die Inflation und noch lieber über die Immigration, das sind seine beliebtesten Angriffsziele.

Trump will die Wirtschaft mit Steuersenkungen ankurbeln

Harris dagegen verweist wie Biden auf das weltweit beneidete US-Wachstum nach der Pandemie, die geringe Arbeitslosigkeit, die vielen Jobs. Sie will es noch besser machen, wenn sie gewählt wird, und vor allem die Mittelklasse stärken. Trump plant Steuersenkungen, die nicht zuletzt die Reichsten beglücken würden; zu seinen Unterstützern zählen Milliardäre wie Elon Musk. Auch hat er vor, die Zölle für Importe weiter zu erhöhen und ansonsten massenweise Einwanderer ohne Papiere auszuweisen.

Diese Drohung gehört zur Außenpolitik, denn die USA teilen lange Grenzen mit Kanada und Mexiko, verbunden als Freihandelszone Nafta.

Die Themen, die die Wähler in den USA bewegen, sind also vor allem innenpolitischer Natur. Die Folgen des Krieges in der Ukraine, die Rolle Chinas als Rivale, all das spielt im Wahlkampf kaum eine Rolle. „Außenpolitik im US-Wahlkampf? Nicht so wichtig“, titelte die „Süddeutsche Zeitung“ kürzlich.

Der Ukraine-Krieg könnte zum Thema werden

Es gibt jedoch ein Thema, bei dem es diesmal anders sein könnte: der Ukraine-Krieg. Die USA unterstützen die Ukraine massiv mit Waffen und Geld. Trump hat immer wieder Zweifel an der Unterstützung für Kiew geäußert und eine Annäherung an Russland angekündigt. Sollte er die Wahl gewinnen, könnte das massive Auswirkungen auf den Krieg und die Zukunft Europas haben.

Doch selbst wenn die Außenpolitik im Wahlkampf eine untergeordnete Rolle spielt, heißt das nicht, dass sie unwichtig ist. Im Gegenteil: Der nächste US-Präsident wird vor gewaltigen außenpolitischen Herausforderungen stehen. Der Krieg in der Ukraine, der Konflikt mit China, der Terrorismus – all das sind Probleme, die nicht von alleine verschwinden werden.

Es ist daher wichtig, dass sich die Wähler in den USA auch mit der Außenpolitik auseinandersetzen und die Kandidaten danach beurteilen, welche Visionen und Konzepte sie für die Bewältigung dieser Herausforderungen haben. Denn am Ende des Tages geht es nicht nur um die Wirtschaft, sondern auch um die Sicherheit und die Zukunft der USA – und der Welt.

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