17.10.2024
Momox Der Algorithmus des Gebrauchtwarenriesen

„Ein bisschen vergilbt ist in Ordnung, aber bitte ohne Flecken“, sagt Heiner Kroke im Gespräch mit der F.A.Z. über den Zustand, den gebrauchte Bücher mindestens haben sollten, wenn man sie über die Onlineplattform Momox verkaufen möchte. Das Unternehmen mit Sitz in Berlin ist in Deutschland der Marktführer unter den Online-Gebrauchtbuchhändlern. Kroke, studierter Wirtschaftsingenieur, führt seit 2013 die Geschäfte. „Wir verkaufen rund 150.000 Bücher am Tag“, so der 55-Jährige. Seit der Gründung des Unternehmens im Jahr 2004 haben auf diese Weise bereits über 300 Millionen Bücher den Besitzer gewechselt.

Das Prinzip ist einfach: Wer zu Hause ausmistet und alte Bücher verkaufen will, kann über die Internetseite Momox den Barcode der Bücher einscannen oder die ISBN-Nummer eintippen. Der Ankaufspreis wird dann für jedes einzelne Buch als Festpreis genannt. Sobald der Mindestankaufswert von 10 Euro erreicht ist, können die Bücher verpackt und portofrei an Momox geschickt werden. Nach wenigen Tagen wird das Geld gutgeschrieben, vorausgesetzt, die Bücher befinden sich noch in einem ordentlichen Zustand.

Geprüft wird dies in einem Logistikzentrum im polnischen Stettin. Das Hauptlager von Momox befindet sich in Leipzig. Dort lagern im ehemaligen Versandlager von Quelle auf 160.000 Quadratmetern rund 15 Millionen gebrauchte Bücher.

„Der Algorithmus ist unser Geschäftsgeheimnis“

Täglich erreichen rund 7500 Buchpakete Momox, erzählt Kroke. Im Schnitt enthielten sie rund 20 Bücher mit einem Gesamtwarenwert von etwa 40 Euro. Die Verkaufsplattform, auf der die Bücher später wiederverkauft werden, heißt dann nicht mehr Momox, sondern Medimops, dahinter steckt aber dasselbe Unternehmen. Wer vergleichen will, inwiefern sich der Verkaufspreis vom Ankaufspreis unterscheidet, kann das für jedes einzelne Buch tun, indem er die beiden Internetseiten besucht. Im ganz groben Schnitt liege der Ankaufspreis der gebrauchten Bücher bei 2 Euro, der Verkaufspreis bei 8 Euro, sagt Kroke.

Die Preise können sich im Laufe der Zeit freilich auch verändern. Entschieden wird darüber von einem Algorithmus, über den Kroke aber nicht viel verraten will: „Der Algorithmus ist unser Geschäftsgeheimnis“, sagt Kroke, „mit seiner Hilfe werden alle 30 Minuten die Preise datenbasiert neu berechnet“. Nur so viel: Die Basis dafür liefern die Erfahrungen aus allen bisherigen An- und Verkäufen. Der Algorithmus erfasst, wie sich die Bücher bislang verkauft haben, wie viele Exemplare Momox schon davon im Lager hat, wie lange sie dort schon auf einen Käufer warten und welche Preise Konkurrenten für das gleiche Buch verlangen.

Auch das Gewicht spiele eine Rolle, weil für das Versenden der Bücher ja Porto zweimal bezahlt werden müsse: einmal beim Ankauf und später beim Verkauf. Der Algorithmus tastet sich möglichst an solche Ankaufspreise heran, zu denen sich der Buchverkäufer noch die Mühe macht, die Bücher einzutüten und abzuschicken. Und an solche Verkaufspreise, die dafür sorgen, dass die Bücher anschließend nicht allzu lange gelagert werden müssen, um Lagerkosten zu sparen. Der Preisfindungs­algorithmus ist so konzipiert, dass 50 Prozent der Bücher nach vier Wochen schon wieder verkauft sind. Manche Bücher liegen freilich auch deutlich länger. „Wenn ein Buch fünf Jahre bei uns im Lager liegt, ist uns ein Fehler beim Ankauf unterlaufen“, sagt Kroke. Aber nur wenn der Algorithmus überhaupt keine Chancen mehr auf einen Verkauf pro­gnostiziert, wird das Buch am Ende entsorgt. „Das passiert äußerst selten“, sagt Kroke: Nur etwa ein bis zwei Prozent der angekauften Bücher würden am Ende vernichtet.

Momox ist aber nicht nur im Geschäft mit gebrauchten Büchern aktiv, sondern auch mit gebrauchter Kleidung und mit CDs und DVDs. „Wir sind ein Re-Commerce-Unternehmen“, sagt Kroke. Das bedeutet: Momox kauft gebrauchte Waren an und verkauft sie wieder. Das Unternehmen beschäftigt inzwischen mehr als 2000 Mitarbeiter und macht einen Jahresumsatz von mehr als 300 Millionen Euro. Neben Deutschland ist Momox auch in Österreich, Frankreich und Großbritannien aktiv.

Das Geschäft mit gebrauchten Waren boomt. Das liegt zum einen daran, dass die Menschen immer preissensibler werden. Zum anderen spielt aber auch der Nachhaltigkeitsgedanke eine immer größere Rolle. „Immer mehr Menschen wollen ihre gebrauchten Waren nicht mehr wegwerfen, sondern ihnen ein zweites Leben schenken“, sagt Kroke. „Und das ist auch gut so.“

Allerdings gibt es auch Kritik an Unternehmen wie Momox. So wird bemängelt, dass die Ankaufspreise für gebrauchte Waren oft sehr niedrig seien. Außerdem wird kritisiert, dass Unternehmen wie Momox den Handel mit neuen Waren kaputt machen würden. Kroke hält dagegen: „Wir sind keine Konkurrenz zum traditionellen Handel, sondern eine Ergänzung.“ Viele Menschen würden ihre gebrauchten Waren ohnehin im Internet verkaufen, zum Beispiel über Ebay. „Wir bieten diesen Menschen eine einfache und bequeme Alternative“, sagt Kroke. Und: „Wir schaffen Arbeitsplätze.“

Tatsächlich ist Momox ein wichtiger Arbeitgeber geworden, vor allem in Leipzig. Im ehemaligen Quelle-Versandlager arbeiten heute mehr als 1000 Menschen für Momox. Die meisten von ihnen sind in der Logistik beschäftigt, also im Wareneingang, in der Qualitätskontrolle, im Lager oder im Versand. Aber auch in der IT, im Marketing und im Kundenservice arbeiten viele Menschen für Momox.

Das Unternehmen ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen und will auch in Zukunft weiter expandieren. „Wir sehen noch viel Potenzial im Markt“, sagt Kroke. So will Momox sein Angebot an gebrauchten Waren weiter ausbauen. Außerdem will das Unternehmen in neue Märkte expandieren. „Wir denken zum Beispiel über eine Expansion nach Südeuropa nach“, sagt Kroke.

Das Geschäft mit gebrauchten Waren ist ein hart umkämpfter Markt. Neben Momox gibt es noch eine Reihe weiterer Anbieter, zum Beispiel Rebuy, Booklooker oder Zoxs. Auch Amazon mischt inzwischen im Geschäft mit gebrauchten Waren mit. Doch Momox ist Marktführer in Deutschland und will diese Position auch in Zukunft verteidigen. „Wir sind gut aufgestellt“, sagt Kroke. „Wir haben ein starkes Team, ein gutes Produkt und eine klare Vision.“

Der Erfolg von Momox zeigt, dass Nachhaltigkeit und Konsum kein Widerspruch sein müssen. Immer mehr Menschen wollen gebrauchte Waren kaufen und verkaufen. Das ist gut für die Umwelt und gut für den Geldbeutel. Und es ist gut für Unternehmen wie Momox.

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