Hoch oben im Schweizer Kanton Bern, inmitten der rauen Schönheit des Berner Oberlandes, liegt der Grimselsee. Eingebettet in eine Landschaft aus schroffen Felsen und grünen Matten, zeugt er von der Kraft der Natur und dem Erfindungsreichtum des Menschen. Denn der Grimselsee ist kein Werk der Natur allein, sondern ein Stausee, geschaffen durch den Bau zweier gewaltiger Staumauern: der Seeuferegg und der Spitallamm. Letztere ist mit ihren 114 Metern Höhe ein imposantes Beispiel Schweizer Ingenieurskunst, doch sie birgt ein Geheimnis – einen Riss, der seit den 1960er-Jahren durch ihre mächtige Struktur zieht.
Dieser Riss, eine ständige Erinnerung an die gewaltigen Kräfte, die hier am Werk sind, hat die Verantwortlichen dazu veranlasst, eine mutige Entscheidung zu treffen: den Bau einer neuen Staumauer, direkt vor der alten. Ein Unterfangen, das nicht nur aufgrund der technischen Herausforderungen, sondern auch wegen der extremen Bedingungen in dieser Höhe eine Belastungsprobe für die Nerven darstellt. „Man muss schon ein bisschen verrückt sein, um hier arbeiten zu wollen“, gesteht Peter Mosimann, ein Maurer, der am Fuß der neuen Staumauer steht und auf das Werk blickt, das er und seine Kollegen in den vergangenen Jahren geschaffen haben. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet, ist der Nebel in dieser Höhe oft das größte Problem, da er die Sicht der Kranführer behindert und die Arbeit zusätzlich erschwert.
Seit 2019 wird nun an diesem Jahrhundertprojekt gearbeitet, das die Schweiz mit einem Kraftakt stemmt. Zwei riesige, feuerrote Kräne, die höchsten der Schweiz, ragen in den Himmel und bewegen tonnenschwere Betonkubel, die Stück für Stück die neue Staumauer wachsen lassen. Eine Meisterleistung der Logistik und Präzision, denn jeder Fehler kann in dieser Höhe fatale Folgen haben. „Anfangs habe ich mich schon gefragt, ob ich das schaffe“, sagt Mosimann und deutet damit die Anspannung an, die hier oben auf jedem lastet. Doch die Arbeiter sind Profis, die mit den Herausforderungen umgehen können. Sie trotzen Sturm, Kälte und Nebel, um die neue Mauer in die Höhe zu treiben.
Die alte Staumauer Spitallamm, die bald im Schatten ihrer Nachfolgerin verschwinden wird, wird nicht abgerissen, sondern im See versenkt. Ein Denkmal der Vergangenheit, das von der Geschichte der Energiegewinnung in der Schweiz zeugt. Die neue Mauer hingegen soll die Versorgungssicherheit des Landes für die Zukunft garantieren und gleichzeitig die Risiken minimieren, die von der alten, beschädigten Mauer ausgehen. Ein Projekt, das die Schweiz vor große Herausforderungen stellt, aber auch die Innovationskraft und Entschlossenheit ihrer Ingenieure unter Beweis stellt.
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