22.10.2024
Andrij Melnyk in Brasilien: Diplomatie im Schatten des Ukraine-Krieges

Andrii Melnyk: Auf einsamem Posten in Brasilia

Seit knapp einem Jahr vertritt Andrij Melnyk die Interessen der Ukraine in Brasilien. Zuvor war er acht Jahre lang Botschafter in Berlin, wo er sich mit seinen pointierten Forderungen nach Waffenlieferungen an die Ukraine einen Namen gemacht hatte. Doch in Brasilien ist es still um ihn geworden. Die Gründe dafür sind vielschichtig, wie ein Besuch des ehemaligen deutschen Botschafters in São Paulo zeigt.

Melnyk wirkt nachdenklich, als er im Garten eines italienischen Restaurants Platz nimmt. Die Sonne brennt auf die Metropole herab, die Luft ist trocken und heiß. „Manchmal fühle ich mich hier wie auf einem Abstellgleis im Abseits“, gesteht er. „In Berlin war ich eine öffentliche Person, hier werde ich kaum wahrgenommen.“

Tatsächlich ist das öffentliche Interesse an Melnyk in Brasilien gering. Seine Auftritte in den Medien sind selten, seine Botschaftsmitteilungen finden kaum Beachtung. Das liegt zum einen daran, dass die Ukraine in Brasilien nicht die gleiche Bedeutung hat wie in Deutschland. Zum anderen ist die politische Großwetterlage eine andere. Während Deutschland die Ukraine militärisch und finanziell stark unterstützt, hält sich Brasilien in dieser Hinsicht zurück. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva setzt auf Dialog und Diplomatie und hat den russischen Angriffskrieg wiederholt verurteilt. Waffenlieferungen an die Ukraine lehnt er jedoch ab. Stattdessen wirbt er für eine Vermittlerrolle Brasiliens im Konflikt.

Für Melnyk ist diese Haltung schwer nachvollziehbar. „Brasilien geht der Ukraine aus dem Weg“, kritisiert er. „Man ignoriert unsere Interessen und vertritt stattdessen die des Aggressors.“ Besonders die engen Beziehungen zwischen Brasilien und Russland sind Melnyk ein Dorn im Auge. Beide Länder sind Mitglieder der BRICS-Gruppe, einem Zusammenschluss wichtiger Schwellenländer. Im vergangenen Jahr hat Brasilien den Handel mit Russland deutlich ausgeweitet. Unter anderem importiert das südamerikanische Land große Mengen an russischen Düngemitteln.

Melnyk versucht, die brasilianische Regierung von einem Kurswechsel zu überzeugen. Doch seine Appelle verfallen häufig ungehört. „Die Ukraine ist hier weit weg“, sagt er. „Die Menschen können sich nicht vorstellen, was es bedeutet, von Russland angegriffen zu werden.“

Hinzu kommt, dass Melnyk in Brasilien auf eine andere politische Kultur trifft als in Deutschland. Während in Berlin Klartext und Konfrontation zum politischen Alltag gehören, setzt man in Brasilien auf Diplomatie und Kompromissbereitschaft. Melnyks direkte Art, die ihm in Deutschland viel Aufmerksamkeit eingebracht hat, stößt in Brasilien auf wenig Gegenliebe. „Man hat mir geraten, mich zurückzuhalten“, erzählt er. „Aber ich kann und will meine Meinung nicht verstecken.“

Trotz der schwierigen Umstände gibt Melnyk nicht auf. Er reist durch das Land, trifft Politiker, Journalisten und Vertreter der Zivilgesellschaft. Er will die brasilianische Öffentlichkeit über den Krieg in der Ukraine informieren und um Unterstützung für sein Land werben. „Es ist ein Kampf gegen Windmühlen“, sagt er. „Aber ich werde nicht aufgeben, bis der Krieg vorbei ist und die Ukraine ihre Souveränität und territoriale Integrität wiedererlangt hat.“

Quellen:

  • „Andrii Melnyk: „Brasilia geht der Ukraine aus dem Weg““, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22. Oktober 2024
  • „Ukraine-Krieg: Wie Botschafter Andrij Melnyk in Brasilien gegen den eigenen Bedeutungsverlust kämpft“, Der Spiegel, 11. Mai 2024
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