19.10.2024
Neuer Kurs in den Beziehungen zwischen Ägypten und der Türkei

Al-Sisi bei Erdoğan: Wenn sich zwei Feinde treffen

Am 4. September 2024 traf der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi in Ankara ein, um seinen türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdoğan zu besuchen. Dies war ein historischer Moment, da es der erste offizielle Besuch al-Sisis in der Türkei seit dem Militärputsch 2013 war, der die Beziehungen zwischen den beiden Ländern auf eine lange Eiszeit führte. Erdoğan hatte al-Sisi damals als „Tyrannen“ und „Putschisten“ bezeichnet, was die Spannungen zwischen Kairo und Ankara weiter verstärkte.

Die Begrüßung am Flughafen durch Erdoğan war eine symbolische Geste, die die Bemühungen beider Länder um eine Normalisierung der Beziehungen unterstreichen sollte. Al-Sisi äußerte nach seiner Ankunft den Wunsch, eine „neue Phase der Freundschaft und Zusammenarbeit“ einzuleiten. Diese Worte spiegeln den Willen beider Seiten wider, die vergangenen Konflikte hinter sich zu lassen und eine konstruktive Zusammenarbeit zu fördern.

Hintergrund der Beziehungen

Die diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und Ägypten waren seit dem Sturz des ersten demokratisch gewählten Präsidenten Ägyptens, Mohamed Mursi, durch al-Sisi stark angespannt. Mursi war ein Mitglied der Muslimbruderschaft, die von Erdoğan unterstützt wurde. Nach dem Putsch brach die Türkei die diplomatischen Beziehungen zu Ägypten ab und unterstützte öffentlich die Muslimbruderschaft, was zu einem tiefen Graben zwischen den beiden Ländern führte.

In den Jahren nach dem Putsch kam es zu mehreren diplomatischen Auseinandersetzungen, die durch unterschiedliche Positionen in regionalen Konflikten, insbesondere in Libyen und im östlichen Mittelmeer, weiter verschärft wurden. Ägypten und die Türkei standen sich in diesen Konflikten oft als Gegner gegenüber. Während Erdoğan die Regierung in Tripolis unterstützte, war Kairo auf der Seite von Khalifa Haftar, einem rivalisierenden Warlord.

Wirtschaftliche Interessen und strategische Zusammenarbeit

Der Besuch al-Sisis in der Türkei kommt zu einem Zeitpunkt, an dem beide Länder unter wirtschaftlichem Druck stehen. Die Türkei kämpft mit einer hohen Inflation und einer schwächelnden Wirtschaft, während Ägypten ebenfalls mit wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert ist. Die Normalisierung der Beziehungen könnte beiden Ländern helfen, ihre wirtschaftlichen Probleme zu bewältigen.

Ein zentrales Thema der Gespräche zwischen Erdoğan und al-Sisi war die Stärkung der Handelsbeziehungen. Das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern beläuft sich derzeit auf etwa 10 Milliarden Dollar, und es wird angestrebt, dieses Volumen auf 15 Milliarden Dollar zu erhöhen. Dies könnte durch die Unterzeichnung von bis zu 20 Abkommen in verschiedenen Bereichen, darunter Energie und Verteidigung, geschehen.

Regionale Sicherheit und geopolitische Herausforderungen

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Gespräche war die regionale Sicherheit, insbesondere die Situation im Gazastreifen und die geopolitischen Spannungen im östlichen Mittelmeer. Ägypten spielt eine Schlüsselrolle im Gasforum des östlichen Mittelmeers, und die Türkei hat ein Interesse daran, ihren Zugang zu den dortigen Gasvorkommen zu sichern. Al-Sisi könnte Erdoğan helfen, die diplomatischen Beziehungen zu anderen Anrainern wie Zypern und Griechenland zu verbessern, um die Interessen der Türkei in der Region zu wahren.

Darüber hinaus wird erwartet, dass die beiden Staatsoberhäupter auch über den Konflikt in Gaza sprechen. Erdoğan hat sich in der Vergangenheit stark für die palästinensische Sache eingesetzt, während Ägypten als Vermittler zwischen Israel und den Palästinensern fungiert. Eine Zusammenarbeit in diesem Bereich könnte beiden Ländern zugutekommen und ihre Position in der arabischen Welt stärken.

Fazit

Der Besuch von al-Sisi in der Türkei markiert einen Wendepunkt in den Beziehungen zwischen Kairo und Ankara. Die beiden Länder scheinen bereit zu sein, ihre Differenzen hinter sich zu lassen und eine neue Ära der Zusammenarbeit einzuleiten. Die Herausforderungen, vor denen beide Staaten stehen, könnten sie dazu zwingen, ihre politischen und wirtschaftlichen Strategien zu überdenken und eine konstruktive Partnerschaft aufzubauen.

Die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, ob die Gespräche zu konkreten Ergebnissen führen und ob die Normalisierung der Beziehungen tatsächlich von Dauer sein wird. Die geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen beider Länder könnten schließlich eine stabile Grundlage für eine langfristige Zusammenarbeit bieten.

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