26.10.2024
Öffentlichkeit im Wandel: Auf der Suche nach dem Diskurs im digitalen Zeitalter

Erleben wir das Ende der Öffentlichkeit?

Es gab einmal eine Zeit, da wurde im Café geraucht, und hitzige Debatten wurden in den Zeitungen, im Radio und im Fernsehen ausgetragen. Heute ist Rauchen in der Öffentlichkeit verpönt und die Medienlandschaft hat sich grundlegend gewandelt. Das Internet, einst als Hoffnungsträger für eine neue Ära der demokratischen Diskussionskultur gefeiert, wirft zunehmend Fragen nach der Zukunft der Öffentlichkeit auf.

„Das Internet sei für uns alle Neuland“, sagte Angela Merkel im Jahr 2013 und erntete dafür Spott, insbesondere von den Millennials, die mit dem Internet aufgewachsen sind. Wie die F.A.S. berichtet, hatte Merkel mit ihrer Aussage insofern Recht, als dass sich das Internet rasend schnell verändert. Was vor wenigen Jahren noch aktuell war, ist heute schon wieder Geschichte. Die Benutzeroberflächen, Algorithmen und Funktionen der sozialen Medien unterliegen einem stetigen Wandel. Instagram, ursprünglich eine Plattform zum Teilen von Bildern, setzt heute auf Stories, Reels und ein ausgeklügeltes System, das Inhalte basierend auf Nutzerverhalten und Interessen ausspielt.

Die anfängliche Euphorie, das Internet würde eine neue Ära der demokratischen Debattenkultur einläuten, ist Ernüchterung gewichen. Der digitale öffentliche Raum wird heute von einigen wenigen großen Konzernen dominiert, die mit Daten und Traffic Profite erwirtschaften. Im besten Fall, so die F.A.S. weiter, folgen diese Konzerne lediglich einer unternehmerischen Logik. Problematisch wird es, wenn politische Agenden verfolgt werden, wie im Fall von TikTok, das mit der Kommunistischen Partei Chinas in Verbindung gebracht wird, oder X (ehemals Twitter), das dem umstrittenen Multimilliardär Elon Musk gehört.

Statt eines offenen und demokratischen Diskurses prägen Hass, Hetze und Desinformation die digitale Welt. Trolle, Handlanger autoritärer Regime und KI-generierte Inhalte tragen ihren Teil dazu bei. Während zu Beginn der 2010er Jahre, als sich Aktivisten im Zuge des Arabischen Frühlings online vernetzten, noch die Hoffnung bestand, soziale Medien könnten zu Katalysatoren der Demokratisierung werden, scheint heute das Gegenteil der Fall zu sein. Extremistische Akteure aller Couleur sind nur einen Klick entfernt und dringen mithilfe ausgeklügelter Algorithmen bis in die Timelines ahnungsloser Nutzer vor.

Die Öffentlichkeit hat sich fragmentiert, ist pluralistischer und unübersichtlicher geworden. Traditionelle Medien mit ihren Qualitätskontrollen und redaktionellen Standards existieren zwar weiter, doch ihre ehemals klare Abgrenzung zur Welt der sozialen Medien verschwimmt zunehmend. Immer mehr Journalisten, Schriftsteller und Publizisten tummeln sich auf Twitter, Instagram und Co., veröffentlichen dort ihre Meinungen und bewerben ihre Bücher. Doch nicht alles, was im Minutentakt in die Smartphones getippt wird, ist relevant für den öffentlichen Diskurs. Und so mancher Beitrag verliert in der Flut der Informationen schnell an Sichtbarkeit und Relevanz.

Die Filterblasen und Echokammern, die durch die personalisierten Algorithmen der sozialen Medien entstehen, tragen dazu bei, dass Menschen oft nur noch mit Meinungen und Informationen konfrontiert werden, die ihre eigene Weltsicht bestätigen. Der Austausch mit Andersdenkenden findet seltener statt, der öffentliche Diskurs verliert an Breite und Tiefe. Die Folge: eine zunehmende Polarisierung der Gesellschaft und eine Erosion des Vertrauens in demokratische Institutionen.

Die Frage, die sich stellt, ist, ob wir angesichts dieser Entwicklungen tatsächlich das "Ende der Öffentlichkeit" erleben. Fest steht, dass sich die Öffentlichkeit im Zeitalter des Internets fundamental verändert hat und weiter verändern wird. Es liegt an uns allen, die Herausforderungen dieser neuen Medienrealität anzuerkennen und aktiv zu gestalten. Denn eine lebendige und funktionierende Demokratie braucht Orte des öffentlichen Diskurses, an denen unterschiedliche Meinungen und Positionen frei, aber fair und respektvoll ausgetauscht werden können.

Quellen:

  • https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kolumnen/import-export-internet-und-oeffentlichkeit-110064664.html
  • https://www.freitag.de/autoren/mlanner/der-verlust-der-oeffentlichkeit
  • https://www.bpb.de/mediathek/video/245062/das-ende-der-oeffentlichkeit-reden-wir-heute-alle-aneinander-vorbei/
  • https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-04/demokratie-bedrohung-krise-alexander-bogner-krisenpodcast
  • https://www.theorieblog.de/index.php/2021/04/oeffentlichkeit-und-ungleichheit/
  • https://www.pressreader.com/germany/abendzeitung-munchen/20240926/281844354042534?srsltid=AfmBOooyyNLI1xpiBYlcvHN-0lz1ng2RrUtv0WjHHF_M6vHCf-iPwqB7DIE
  • https://www.philomag.de/artikel/pandemie-das-ende-der-oeffentlichkeit
  • https://www.passagen.at/gesamtverzeichnis/neu-erschienen/das-verschwinden-von-raum-und-zeit-im-prozess-ihrer-digitalisierung/
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