19.10.2024
Personalmangel bei der Bahn: Neue Ansätze zur Gewinnung von Teilzeit-Lokführern

Personalmangel: Akuter Personalmangel bei der Bahn und die Suche nach Teilzeit-Lokführern

In den letzten Jahren hat der Personalmangel in der Bahnbranche in Deutschland, insbesondere in Nordrhein-Westfalen (NRW), zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die Situation hat sich so verschärft, dass Pendler häufig vergeblich auf ihre Züge warten. Dies hat die Bahnunternehmen dazu veranlasst, neue Strategien zur Rekrutierung von Arbeitskräften zu entwickeln, um dem akuten Bedarf an Lokführern gerecht zu werden. Ein vielversprechender Ansatz ist die gezielte Ansprache von Teilzeitkräften, die sich für eine Tätigkeit als Lokführer interessieren.

Der akute Personalmangel und seine Ursachen

Die Anzeigetafeln an den Bahnhöfen in NRW sind häufig mit den Hinweisen "Kurzfristiger Personalausfall" oder "Erhöhter Krankenstand" geschmückt. Diese Meldungen sind besonders in der Ferien- und Urlaubszeit verbreitet, wenn aufgrund des erhöhten Krankenstands und der Urlaubsabwesenheit von Mitarbeitern viele Züge kurzfristig ausfallen müssen. Der Personalmangel stellt die Bahnbranche vor enorme Herausforderungen und führt zu Unzufriedenheit unter den Fahrgästen.

Ein zentraler Faktor für den Personalmangel ist der bevorstehende Ruhestand vieler langjähriger Lokführer. Schätzungen zufolge werden bis 2027 etwa 20 Prozent der Lokführer in Rente gehen. Gleichzeitig wird der Bedarf an Lokführern voraussichtlich um rund 15 Prozent steigen, da der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) weiter ausgebaut werden soll. Dies stellt die Bahnunternehmen vor die Herausforderung, nicht nur die bestehenden Stellen zu besetzen, sondern auch neue Mitarbeiter zu gewinnen.

Das Landesprogramm Fokus Bahn

Um den Personalmangel zu bekämpfen, hat das Landesprogramm Fokus Bahn ins Leben gerufen, das von der Landesregierung und verschiedenen Bahnunternehmen unterstützt wird. Heinrich Brüggemann, der Projektleiter dieses Programms, betont die Notwendigkeit, flexibler auf die Bedürfnisse von Bewerbern einzugehen. Ein zentrales Element dieses Ansatzes ist die Schaffung von Teilzeitstellen für Lokführer, um eine breitere Zielgruppe anzusprechen. Dies könnte insbesondere Frauen ansprechen, die aufgrund familiärer Verpflichtungen möglicherweise nicht in der Lage sind, eine Vollzeitstelle anzunehmen.

Die Ausbildung zum Lokführer

Traditionell haben die meisten Lokführer keine klassische Ausbildung in der Bahnbranche, sondern kommen aus anderen Berufen und absolvieren eine Umschulung. Diese Umschulung dauert in der Regel 12 Monate und umfasst sowohl theoretischen Unterricht als auch praktische Ausbildungseinheiten, die Rangieren, Streckenfahren und den Kundenkontakt beinhalten. Nach erfolgreichem Abschluss der Umschulung können die neuen Lokführer mit einem Einstiegsgehalt von etwa 4000 Euro rechnen, das Zulagen beinhaltet.

Das neue Teilzeit-Programm sieht vor, dass die Umschulung über einen Zeitraum von 16 Monaten erfolgt, wobei die Teilnehmer lediglich fünf Stunden pro Tag lernen müssen. Der erste Kurs im Rahmen dieses Programms soll im Oktober beginnen, und es wird erwartet, dass er zahlreiche Interessierte anzieht, die sich beruflich umorientieren möchten.

Die Herausforderungen der Rekrutierung

Trotz der vielversprechenden Ansätze gibt es Herausforderungen bei der Rekrutierung von Lokführern. Die Bahnbranche hat in der Vergangenheit Schwierigkeiten gehabt, Frauen für diesen Beruf zu gewinnen, was in einem Bereich, der traditionell von Männern dominiert wird, besonders auffällig ist. Das Fokus-Bahn-Programm könnte hier als Katalysator fungieren, um mehr Frauen den Einstieg in diesen Beruf zu ermöglichen und das Geschlechterverhältnis in der Branche zu verbessern.

Die Auswirkungen auf die Fahrgäste

Die Auswirkungen des Personalmangels sind für die Fahrgäste deutlich spürbar. Die Zuverlässigkeit der Regionalzüge und S-Bahnen in NRW hat einen Tiefpunkt erreicht, wobei im Jahr 2023 rund jeder siebte Zug vollständig ausfiel. Diese Situation ist nicht nur auf Baustellen zurückzuführen, sondern auch erheblich durch den Mangel an Lokführern bedingt. Die Unzufriedenheit der Kunden wächst, und der Verkehrsminister von NRW, Oliver Krischer, hat wenig Hoffnung geäußert, dass sich die Situation kurzfristig verbessern wird.

Die Bahnunternehmen in NRW stehen also vor der dringenden Notwendigkeit, innovative und nachhaltige Lösungen zu finden, um den Personalmangel zu beheben und die Zufriedenheit der Fahrgäste wiederherzustellen. Der Ansatz, Teilzeit-Lokführer zu gewinnen, könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein, um die Lücken im Personal zu schließen und gleichzeitig die Flexibilität für potenzielle Mitarbeiter zu erhöhen.

Zukunftsausblick

Die nächsten Jahre werden entscheidend sein, um zu beobachten, wie erfolgreich die Bahnbranche in NRW die Herausforderungen des Personalmangels bewältigen kann. Das Augenmerk wird darauf liegen, ob es gelingt, ausreichend qualifizierte Bewerber zu gewinnen und gleichzeitig die Attraktivität des Berufs des Lokführers zu steigern. In einer Zeit, in der der öffentliche Verkehr eine zentrale Rolle in der Verkehrswende spielen soll, ist es unerlässlich, dass die Bahnbranche in der Lage ist, ihre Dienstleistungen zuverlässig anzubieten. Die Umsetzung von Programmen wie Fokus Bahn könnte dabei von großer Bedeutung sein und möglicherweise als Modell für andere Regionen dienen, die mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind.

Weitere
Artikel