19.10.2024
Politische Neuordnung in Aserbaidschan nach Wahlentscheidung

Aserbaidschan: Regierungspartei gewinnt Wahl

In Aserbaidschan hat die Regierungspartei von Präsident Ilham Alijew die vorgezogene Parlamentswahl gewonnen. Nach Angaben der Wahlkommission erhielt die Partei „Neues Aserbaidschan“ 68 der 125 Sitze in der Nationalversammlung. Im vorherigen Parlament hatte die Partei 69 Sitze. Die restlichen Sitze gingen an regierungstreue Kandidaten. Eine der größten Oppositionsparteien, die Musavat-Partei, hatte die Wahl boykottiert, was die politische Landschaft weiter verkompliziert.

Die Wahlbeteiligung lag bei nur 37,3 Prozent, was auf ein geringes Interesse der Wähler hinweist. Aus mehreren Städten wurden Berichte über Wahlbetrug gemeldet, darunter Vorwürfe von Mehrfachabstimmungen und anderen Unregelmäßigkeiten. Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kritisierten den Wahlkampf als „kaum sichtbar“ und wiesen darauf hin, dass die Wahlen in einem restriktiven politischen und rechtlichen Umfeld stattfanden, das keinen echten Pluralismus zulasse.

Politisches Umfeld und Wahlkampf

Die vorgezogene Wahl wurde von Präsident Alijew angekündigt, nachdem er das Parlament im Juni aufgelöst hatte. Diese Entscheidung wurde getroffen, um eine Überschneidung mit der bevorstehenden Weltklimakonferenz in Baku zu vermeiden, die im November stattfinden soll. Es ist die zweite vorgezogene Wahl, die seit der Rückeroberung des von Armeniern bewohnten Gebiets Nagornyj Karabach im Jahr 2023 stattfand. Alijew hatte sich im Februar 2024 bei der Präsidentschaftswahl mit 92 Prozent der Stimmen im Amt bestätigen lassen, was international auf Kritik stieß, da der Wettbewerb als unzureichend angesehen wurde.

In den letzten Monaten hat die Repression gegen unabhängige Journalisten und Menschenrechtler in Aserbaidschan zugenommen. Friedensaktivisten, die die militärischen Aktionen Bakus seit dem Beginn des zweiten Karabachkriegs 2020 kritisiert haben, sind besonders ins Visier der Behörden geraten. Diese Entwicklungen werfen Fragen über die zukünftigen Friedensgespräche zwischen Armenien und Aserbaidschan auf, die in einem angespannten politischen Klima stattfinden.

Internationale Reaktionen und Menschenrechte

Die Europäische Union bezieht derzeit etwa fünf Prozent ihres Gasbedarfs aus Aserbaidschan, mit Plänen zur Verdopplung dieser Menge. Für Deutschland ist Aserbaidschan ein wichtiger Partner, wie Bundeskanzler Olaf Scholz während eines Besuchs in Berlin betonte. Scholz forderte jedoch auch die Einhaltung der Menschenrechte und äußerte Bedenken über die repressiven Maßnahmen gegen Journalisten und Aktivisten.

Die OSZE hat in der Vergangenheit wiederholt auf die mangelnde Freiheit und Fairness bei den Wahlen in Aserbaidschan hingewiesen. Bisher wurde keine der während Alijews Amtszeit abgehaltenen Wahlen als frei und gerecht eingestuft. Die aktuellen Wahlen scheinen diesem Muster zu folgen, was die Legitimität der neuen Regierung in Frage stellt.

Ausblick und zukünftige Entwicklungen

Die politischen Entwicklungen in Aserbaidschan bleiben angespannt. Die Dominanz der Regierungspartei und die Unterdrückung der Opposition werfen Fragen über die zukünftige Stabilität des Landes auf. Beobachter befürchten, dass die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen und die Repression gegen kritische Stimmen die gesellschaftliche und politische Landschaft weiter destabilisieren könnten.

Die internationale Gemeinschaft wird die Entwicklungen in Aserbaidschan weiterhin genau beobachten, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehenden Friedensgespräche mit Armenien und die Einhaltung der Menschenrechte im Land. Die kommenden Monate könnten entscheidend dafür sein, wie sich die politischen Verhältnisse in Aserbaidschan entwickeln und welche Rolle das Land in der geopolitischen Landschaft des Südkaukasus spielen wird.

Insgesamt zeigt die Wahl in Aserbaidschan, dass trotz der offiziellen Ergebnisse und der behaupteten Stabilität erhebliche Herausforderungen bestehen, die sowohl die nationale als auch die internationale Politik betreffen.

Quellen: F.A.Z., dpa, Euronews, Deutschlandfunk, ORF.at, Tagesspiegel, Focus.

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