Nach der Sperrung der Online-Plattform X in Brasilien hat der ehemalige Präsident Jair Bolsonaro Tausende seiner Anhänger zu einem Straßenprotest mobilisiert. Dieser Protest fand am brasilianischen Unabhängigkeitstag auf der Avenida Paulista in São Paulo statt, wo Bolsonaro ein Amtsenthebungsverfahren gegen den verantwortlichen Richter Alexandre de Moraes forderte. Er bezeichnete Moraes, der Richter am Obersten Bundesgericht ist, als „Diktator“.
Die Sperrung von X wurde am 30. August 2024 von Moraes angeordnet. Der Richter wirft dem Twitter-Nachfolgedienst vor, nicht ausreichend gegen die Verbreitung von Hassrede und Falschinformationen vorzugehen. Dies geschah in einem Kontext, in dem die brasilianische Justiz zunehmend gegen die Verbreitung von Falschinformationen in sozialen Medien vorgeht. X-Eigentümer Elon Musk, der in der politischen Landschaft zunehmend rechte Positionen einnimmt, sieht sich als Verteidiger der freien Meinungsäußerung und kritisierte die Entscheidung von Moraes als Zensur.
Bolsonaro, der während seiner Amtszeit von 2019 bis 2022 oft in Konflikt mit der Justiz stand, nutzte die Gelegenheit, um seine Anhänger zu mobilisieren. Bei der Demonstration forderte er nicht nur die Absetzung von Moraes, sondern auch eine Amnestie für seine Unterstützer, die wegen des Angriffs auf das Regierungsviertel in Brasília am 8. Januar 2023 verurteilt wurden. Diese Forderung ist Teil einer breiteren Strategie, um seine politische Basis zu stärken und sich gegen die gegen ihn laufenden Ermittlungen zu verteidigen.
Der Konflikt zwischen Bolsonaro und Moraes ist nicht neu. Moraes hatte bereits im April 2024 ein Ermittlungsverfahren gegen Musk eingeleitet, das auf Behinderung der Justiz und Anstiftung zu Straftaten abzielte. Dies führte zu einer weiteren Eskalation der Spannungen zwischen der brasilianischen Justiz und Musk, der sich weigerte, die geforderten Maßnahmen zu ergreifen, einschließlich der Sperrung von Konten rechtsgerichteter Aktivisten, die für die Verbreitung von Verschwörungstheorien verantwortlich gemacht werden.
Die Ereignisse rund um die Sperrung von X und die Proteste von Bolsonaro werfen ein Licht auf die angespannten politischen Verhältnisse in Brasilien. Während seiner Amtszeit wurden zahlreiche Verleumdungskampagnen gegen politische Gegner organisiert, und es gab Berichte über ein sogenanntes „Hass-Kabinett“ in Bolsonaros Präsidialamt, das Falschinformationen verbreitete und Zweifel am brasilianischen Wahlsystem schürte.
Bolsonaro steht vor mehreren Ermittlungen, die sich auf seine Rolle in den Unruhen vom Januar 2023 beziehen, als seine Anhänger Regierungsgebäude stürmten. Die politischen Spannungen in Brasilien scheinen sich weiter zu verschärfen, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen und die Frage der Meinungsfreiheit in sozialen Medien.
Die Mobilisierung von Bolsonaros Anhängern und die damit verbundenen politischen Spannungen zeigen, wie stark die gesellschaftlichen und politischen Gräben in Brasilien sind. Die Entwicklungen rund um die Sperrung von X und die Reaktionen darauf könnten weitreichende Konsequenzen für die politische Landschaft des Landes haben.
Quelle: dpa, FAZ
