September 11, 2024
Risiken und Chancen für europäische Investoren in China

Investitionen: Risiko China – EU-Kammer fordert endlich Reformen

Die europäische Handelskammer in China hat in ihrem aktuellen Positionspapier vor den zunehmenden Risiken für ausländische Unternehmen gewarnt, die in der Volksrepublik investieren. Laut der Kammer nimmt die Attraktivität Chinas als Standort für europäische Firmen ab, was auf nicht erfüllte Reformen und eine Vielzahl von Herausforderungen zurückzuführen ist. Der Präsident der EU-Handelskammer in China, Jens Eskelund, äußerte in Peking, dass die Risiken einer Investition in China für einige Unternehmen bereits die potenziellen Erträge übersteigen.

Die Liste der Bedenken ist lang und reicht von einem erschwerten Marktzugang über undurchsichtige Regelungen bis hin zu einer schwachen Inlandsnachfrage. Diese Faktoren haben das Vertrauen der Unternehmen in den chinesischen Markt auf ein Allzeittief gedrückt. Immer wieder sorgt die regierende Kommunistische Partei mit undurchsichtigen Gesetzen im Namen der nationalen Sicherheit für Verunsicherung unter den Firmen, was zu höheren Kosten für Rechtsberatung führt.

Wirtschaftliche Herausforderungen und "Long Covid"

In dem Positionspapier wird auch auf die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage in China hingewiesen. Eskelund beschreibt die Situation metaphorisch als "Long Covid" für die chinesische Wirtschaft, die nach der Corona-Pandemie nicht in der Lage war, sich vollständig zu erholen. Dies hat dazu geführt, dass viele Unternehmen an einem Wendepunkt stehen, an dem sie sich fragen müssen, ob sie weiterhin in ihr China-Geschäft investieren oder nach profitableren Standorten suchen sollten.

Die Handelskammer schätzt, dass zwischen einem Drittel und der Hälfte der EU-Firmen gegenwärtig abwarten, wie sich die wirtschaftliche Lage in China entwickelt, bevor sie ihre Investitionsstrategien überdenken. Dies ist eine kritische Gruppe, der Peking beweisen muss, dass China weiterhin ein attraktiver Standort für Investitionen ist.

Keine Anzeichen für einen Rückzug

Trotz der Herausforderungen sieht die Handelskammer jedoch keinen massiven Rückzug europäischer Unternehmen aus China. Insbesondere für die Automobil- und Chemiebranche bleibt die Volksrepublik ein unverzichtbarer Markt. Eskelund betont, dass fast ein Drittel der weltweiten Container-Exporte aus China stammen. Unternehmen, die nicht in China investieren, könnten als nicht global agierend betrachtet werden.

Allerdings zeigen viele Unternehmen, dass sie die Abhängigkeit von China in ihrer Lieferkette überdenken. Rund ein Viertel der Mitglieder der Handelskammer prüft, die Produktion teilweise nach Indien oder Vietnam zu verlagern, um die Risiken zu diversifizieren.

Veränderungen in der deutschen Industrie

In der deutschen Industrie rücken zunehmend die Kosten und Risiken des Engagements in China in den Mittelpunkt der Diskussionen. Die Repräsentantin des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) in China, Elisa Hörhager, hebt hervor, dass es nach wie vor Chancen und Dynamik auf dem chinesischen Markt gibt. Dennoch trübt sich die Perspektive für ausländische Unternehmen weiter ein.

Eine im Mai durchgeführte Umfrage der EU-Handelskammer zeigt, dass 44 Prozent der befragten Mitglieder pessimistisch in Bezug auf ihre Geschäftsaussichten sind, was einen Rekordwert darstellt. Besonders skeptisch sind Unternehmen aus der Automobilindustrie sowie aus den Bereichen Finanzdienstleistungen und Medizinprodukte. Im Gegensatz dazu zeigen sich Kosmetik- und Pharmaunternehmen etwas optimistischer.

Wachsende Spannungen mit der EU

Die EU-Handelskammer warnt zudem vor wachsenden Spannungen zwischen der EU und China, die aus dem Versagen resultieren könnten, bedeutende Wirtschaftsreformen durchzuführen. Ein Beispiel hierfür sind Solarzellen, die in China keine Abnehmer fanden und daher zu niedrigen Preisen auf Märkten in der EU und den USA angeboten wurden. Obwohl China beteuert, ein Nachfrage-System zu entwickeln, bemängelt die Handelskammer, dass keine konkreten Maßnahmen zur Ankurbelung des Konsums festgelegt wurden.

Die EU-Kammer fordert daher von Peking, dass konkrete Reformen umgesetzt werden, um das Vertrauen der ausländischen Investoren zurückzugewinnen. Andernfalls könnte die Attraktivität Chinas als Investitionsstandort weiter sinken, was langfristig negative Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und China haben könnte.

Fazit

Die aktuellen Herausforderungen, vor denen europäische Unternehmen in China stehen, erfordern dringend Reformen und klare Maßnahmen von Seiten der chinesischen Regierung. Die EU-Handelskammer hat deutlich gemacht, dass ohne konkrete Schritte zur Verbesserung des Geschäftsumfelds die Attraktivität Chinas als Standort für Investitionen weiter abnehmen wird. Die kommenden Monate werden entscheidend sein, um zu beobachten, ob Peking in der Lage ist, die notwendigen Reformen umzusetzen und das Vertrauen der ausländischen Investoren zurückzugewinnen.

Quellen: Süddeutsche Zeitung, Der Standard, Tagesspiegel, dpa

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