Das Ulmer Münster wird seinen Titel als "höchster Kirchturm der Welt" nach über 130 Jahren an die Sagrada Família in Barcelona abgeben. Im kommenden Sommer soll ein über zehn Meter hohes, begehbares Glaskreuz auf dem Jesus-Christus-Turm der Sagrada Família installiert werden, wodurch diese den rund 162 Meter hohen Ulmer Turm überragen wird. Die Fertigstellung des Turms ist vor dem 100. Todestag von Antoni Gaudí im Jahr 2026 geplant, wie unter anderem die Badische Zeitung und die Esslinger Zeitung berichten.
Ironischerweise stammt das Kreuz aus Gundelfingen an der Donau, nur 36 Kilometer Luftlinie von Ulm entfernt. Hersteller ist die Josef Gartner GmbH. „Wir nehmen das mit einem gewissen Augenzwinkern und Humor“, zitiert die Deutsche Presse-Agentur (dpa) Jürgen Wax, Chef der Josef Gartner GmbH. Aus Ulm habe es bisher keine Beschwerden gegeben.
Die Josef Gartner GmbH, ein "Hidden Champion", war bereits an Projekten wie der Elbphilharmonie und dem Apple-Headquarter beteiligt. Das 1868 gegründete Familienunternehmen mit weltweit rund 850 Mitarbeitern gehört seit 2001 zur italienischen Permasteelisa Gruppe. Den Auftrag für das Glaskreuz erhielt die Firma über eine Ausschreibung der Stiftung der Sagrada Família, wie Donau 3 FM berichtet.
Die Idee für das begehbare Glaskreuz stammt von der Stiftung der Sagrada Família. Ein Teil des Kreuzes wurde bereits als Muster in Barcelona präsentiert. „Aktuell fertigen wir die sechs Einzelteile des Kreuzes in unserem Werk in Gundelfingen“, erklärte Wax gegenüber der dpa. Die Teile werden dann nach Barcelona transportiert, wo die Montage in rund 150 Metern Höhe im Frühsommer beginnen soll. Die Kosten für den Glasaufbau belaufen sich auf einen unteren zweistelligen Millionenbetrag.
Das Kreuz stellt eine technische Innovation für die Josef Gartner GmbH dar. „Stahl-Glas-Brücken und -Dächer haben wir schon gebaut - aber ein begehbares, hohles Kreuz mit einer Wendeltreppe - das wurde in dieser Form noch nie gebaut und wird so schnell vermutlich nicht mehr gebaut werden“, so Wax gegenüber der dpa. Die Montage wird voraussichtlich zwei Monate, von Juni bis August, in Anspruch nehmen. Wann genau die Sagrada Família das Ulmer Münster überragen wird, ist noch offen.
Die Schwäbische Zeitung thematisiert den Rekordverlust des Ulmer Münsters und verweist auf die Bedeutung Albert Einsteins für die Stadt. Stefan Trinks betrachtet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.) den Wettlauf um die höchsten Kirchtürme distanzierter. Er erinnert an die Tradition des "Schneller-höher-Weiter" im gotischen Kirchenbau und hinterfragt die Bedeutung solcher Rekorde in der Architekturgeschichte. Trinks erwähnt die Beteiligung des Ulmer Unternehmens an der Kreuzherstellung als "Treppenwitz der Geschichte". Radio 7 berichtete scherzhaft in einem Zukunftsexperiment von einer 15 Meter hohen Spatz-Statue auf dem Ulmer Münster, die den Rekord zurückerobern soll.
Quellen: