Die Europäische Zentralbank (EZB) steht vor dem schwierigen Balanceakt, die Inflation einzudämmen und gleichzeitig die Wirtschaft zu stabilisieren. EZB-Direktorin Isabel Schnabel äußerte sich in einem Bloomberg-Interview (berichtet von der ZEIT online am 27. November 2024) besorgt über eine zu aggressive Senkung der Zinsen. Sie plädierte für ein schrittweises Vorgehen bei der geldpolitischen Lockerung und warnte davor, "zu weit zu gehen". Zu starke Zinssenkungen könnten dazu führen, dass das neutrale Zinsniveau unterschritten wird, das Schnabel auf zwei bis drei Prozent schätzt. Dieses neutrale Niveau beschreibt den Punkt, an dem die Zinsen weder die Wirtschaft ankurbeln noch bremsen. Schnabel sieht aktuell keinen Bedarf, die Zinsen in den akkommodierenden Bereich abzusenken, der die Wirtschaft stimulieren würde.
Seit Juli hat die EZB die Leitzinsen bereits dreimal reduziert. Der für den Finanzmarkt wichtige Einlagensatz liegt derzeit bei 3,25 Prozent. Angesichts schwächerer Konjunkturdaten aus der Eurozone erwarten die Märkte weitere Zinssenkungen. Die nächste Zinsentscheidung der EZB steht am 12. Dezember an. Wie der Spiegel am 07.02.2024 berichtete, hatte Schnabel sich bereits zuvor gegen übereilte Zinssenkungen ausgesprochen und auf die anhaltende Inflation im Dienstleistungssektor, den robusten Arbeitsmarkt und geopolitische Risiken verwiesen.
Innerhalb der EZB gibt es unterschiedliche Ansichten über das angemessene Tempo der Zinssenkungen. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane befürwortete laut einem Bericht der französischen Finanzzeitung "Les Echos" weitere schrittweise Zinssenkungen zur Unterstützung der Wirtschaft. Er argumentierte, dass eine zu lange andauernde restriktive Geldpolitik das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen würde. Bundesbankpräsident Joachim Nagel hingegen riet laut bnn.de zu Vorsicht und einem graduellen Vorgehen bei der geldpolitischen Lockerung. Er verwies auf mögliche Folgen der Zollpolitik des designierten US-Präsidenten Donald Trump und ein möglicherweise langsamer als erwartet zurückgehendes Lohnwachstum. Die F.A.Z. berichtete am 07.06.2023, dass Schnabel den Fachkräftemangel und die zunehmende Verbreitung von Krediten mit festen Zinsen als Gründe für die verzögerte Wirkung von Zinserhöhungen anführte.
Die Diskussion über das richtige Tempo der Zinssenkungen verdeutlicht die komplexe Aufgabe der EZB, zwischen Inflationsbekämpfung und Wirtschaftsförderung abzuwägen. Die unterschiedlichen Positionen innerhalb der EZB und die volatile wirtschaftliche Situation machen die bevorstehende Zinsentscheidung im Dezember zu einem wichtigen Ereignis für die Eurozone.
Quellen: - ZEIT ONLINE: https://www.zeit.de/news/2024-11/27/ezb-direktorin-schnabel-warnt-vor-zu-starken-zinssenkungen - Spiegel Online: https://www.spiegel.de/wirtschaft/service/isabel-schnabel-ezb-direktorin-warnt-vor-zu-schneller-zinssenkung-a-5f43edd3-9c84-4ac5-b08b-7118715c6985 - bnn.de: https://bnn.de/nachrichten/wirtschaft/volkswirte-sehen-deutschland-nicht-vorbereitet-auf-trump - Frankfurter Allgemeine Zeitung: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/thema/isabel-schnabel-p2