Thüringens Ministerpräsidentenwahl: Ramelows Interpretation der Verfassung im Fokus
Die anstehende Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten wirft verfassungsrechtliche Fragen auf, insbesondere bei einem möglichen Patt. Der amtierende Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) erläuterte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Erfurt seine Sicht auf die Verfassungslage, wie die ZEIT am 27. November 2024 berichtete. Erhält im dritten Wahlgang kein Kandidat die absolute Mehrheit, gilt derjenige mit den meisten Stimmen als gewählt – selbst wenn diese Anzahl der Nein-Stimmen entspricht. Diese Interpretation ist entscheidend, da die geplante "Brombeer-Koalition" aus CDU, BSW und SPD unter Mario Voigt (CDU) keine eigene Mehrheit im Landtag hat (ZEIT, 27.11.2024). Wie die Süddeutsche Zeitung am selben Tag berichtete, verfügt die Koalition lediglich über 44 der 88 Sitze.
Die Auslegung des dritten Wahlgangs ist seit Jahren umstritten. Die Thüringer Verfassung schreibt vor, dass im dritten Wahlgang der Kandidat mit den meisten Stimmen gewählt ist. Die CDU hatte in der Vergangenheit die Frage aufgeworfen, ob ein Kandidat auch dann gewählt ist, wenn er mehr Nein- als Ja-Stimmen erhält, insbesondere bei nur einem Kandidaten. Dieses Szenario ist denkbar, wenn Voigt im Dezember kandidiert und im dritten Wahlgang 44 Ja- und 44 Nein-Stimmen erhält (Süddeutsche Zeitung, 27.11.2024).
Ramelow betonte gegenüber der dpa, er habe diese Interpretation der CDU immer zurückgewiesen und sei dafür von der Partei kritisiert worden. Er bezeichnete die CDU-Position als "politisches Geschäft" und "unwürdig für das Amt des Ministerpräsidenten und die Verfassung" (ZEIT, 27.11.2024).
Während die CDU auf eine schnelle Wahl des Ministerpräsidenten drängt, will die SPD erst das Ergebnis des Mitgliedervotums zum Koalitionsvertrag abwarten, wie stern.de am 27. November 2024 berichtete. Die Mitglieder können bis zum 9. Dezember abstimmen. Erst danach soll ein Termin für die Ministerpräsidentenwahl festgelegt werden. Die CDU plant ihren Parteitag für den 14. Dezember und möchte Voigt dort als neuen Ministerpräsidenten präsentieren (stern.de, 27.11.2024).
Die Linke hält sich die Option offen, einen eigenen Kandidaten für die Ministerpräsidentenwahl aufzustellen. Ramelow erwartet von den Parteivorsitzenden der möglichen neuen Regierung Gespräche mit der Linken darüber, wie destruktive Mehrheiten im Parlament verhindert werden können. Die Linke fordert seit langem eine Klärung der Mehrheitsfindung im Landtag (ZEIT, 27.11.2024). Die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, BSW und SPD begannen bereits im Oktober, nachdem alle drei Parteien dem Sondierungspapier zugestimmt hatten (MDR, 19.10.2024). Das BSW hatte den Beginn der Koalitionsverhandlungen jedoch an die Bedingung geknüpft, vorab eine "Friedenspräambel" im Koalitionsvertrag auszuhandeln (MDR, 19.10.2024).
Die Landtagswahl im September 2024 hatte zu einer schwierigen Ausgangslage für die Regierungsbildung geführt. Die Linke verlor deutlich, während die AfD stärkste Kraft wurde, gefolgt von CDU und BSW (vorwärts, 01.09.2024).
Quellen:
- ZEIT ONLINE: https://www.zeit.de/news/2024-11/27/ramelow-zur-thueringer-mp-wahl-klarheit-auch-bei-patt
- Süddeutsche Zeitung: https://www.sueddeutsche.de/politik/regierungsbildung-ramelow-zur-thueringer-mp-wahl-klarheit-auch-bei-patt-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-241127-930-300933
- stern.de: https://www.stern.de/gesellschaft/regional/thueringen/brombeer-koalition--ministerpraesidentenwahl--spd-will-mitgliedervotum-abwarten-35263388.html?utm_campaign=alle&utm_medium=rss-feed&utm_source=standard&utm_term=Brombeer-Koalition_Ministerpr%2525C3%2525A4sidentenwahl%25253A%252BSPD%252Bwill%252BMitgliedervotum%252Babwarten
- MDR: https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/brombeerkoalition-verhandlungen-weg-frei-100.html
- vorwärts: https://vorwaerts.de/inland/landtagswahl-thueringen-schwierige-regierungsbildung-droht