In Thüringen stehen CDU, BSW und SPD kurz vor dem Abschluss eines Koalitionsvertrages für eine sogenannte "Brombeer-Koalition". Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) berichtet, spielte der CDU-Landesvorsitzende Mario Voigt eine entscheidende Rolle bei der Aushandlung einer "Friedensformel" mit der BSW-Bundesvorsitzenden Sahra Wagenknecht. Diese Formel betrifft die umstrittene Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland. Demnach sehen die Parteien die Stationierung kritisch, solange sie nicht souverän von Deutschland beschlossen wird. Diese Formulierung berücksichtigt Wagenknechts Forderung nach Kritik an der Stationierung, ermöglicht aber gleichzeitig CDU und SPD, ihre Positionen zu vertreten. Voigt hatte frühzeitig den direkten Kontakt zu Wagenknecht gesucht und sich mit ihr in Berlin getroffen.
Wagenknecht, die sich anfänglich gegen eine Regierungsbeteiligung des BSW in Thüringen ausgesprochen hatte, lenkte ein, nachdem sie, wie die F.A.Z. berichtet, am Sonntag zahlreiche Änderungen im Vertragsentwurf durchsetzen konnte. Diese Änderungen, darunter ein Genderverbot an Schulen und ein Handyverbot an Grundschulen, wurden größtenteils in den finalen Verhandlungen übernommen. Auch ein Prüfauftrag zur Amnestie für Corona-Strafen, ein Anliegen Wagenknechts, fand Eingang in den Koalitionsvertrag. Geprüft werden soll, ob Bußgelder oder andere Strafen, die aufgrund von Verstößen gegen die Corona-Auflagen verhängt wurden, aufgehoben oder kompensiert werden können.
Die Süddeutsche Zeitung berichtet ebenfalls über die Einigung auf den Koalitionsvertrag. Demnach haben sich die Parteispitzen in einer Klausur auf den Text verständigt, der am Freitag vorgestellt werden soll. Auch Wagenknecht signalisierte ihre Zustimmung. Nun müssen noch die Parteigremien zustimmen. Das BSW hat bereits einen Parteitag für den 7. Dezember angekündigt, die SPD plant eine Mitgliederbefragung.
Wie n-tv berichtet, wurde in einer zweitägigen Klausurtagung ein Vertragsentwurf erarbeitet, der konkrete Maßnahmen in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Wirtschaft, Migration, Staatsmodernisierung, Soziales und kommunale Entwicklung vorsieht. Details sollen am Freitag präsentiert werden. Im Anschluss müssen die Parteigremien dem Vertrag zustimmen.
Die Tagesschau beleuchtet die schwierigen Verhandlungen und den Einfluss Wagenknechts. Die Gespräche stockten zwischenzeitlich, da Wagenknecht auf schärfere Formulierungen in Bezug auf Waffenlieferungen an die Ukraine und die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen drängte. Die Verhandlungen standen kurz vor dem Aus, konnten aber schließlich fortgesetzt werden.
Der MDR analysiert den Machtkampf zwischen der BSW-Bundesspitze und dem Thüringer Landesverband. Wagenknecht befürchtet, dass pragmatische Kompromisse in den Ländern ihre bundespolitische Strategie gefährden könnten. In Thüringen hat sie sich wiederholt in die Verhandlungen eingemischt und Nachschärfungen gefordert. Der Thüringer Landesverband unter Katja Wolf hat sich jedoch teilweise von der Parteilinie emanzipiert und einen Kompromiss mit CDU und SPD erzielt.
Der Stern beschreibt die schwierige Aufgabe von Mario Voigt, eine Koalition mit dem BSW zu bilden. Wagenknecht befürchtet, dass pragmatische Kompromisse in den Ländern ihre fundamentaloppositionelle Strategie im Bund konterkarieren könnten. Sie bevorzugt daher eine informelle Tolerierung einer CDU-geführten Minderheitsregierung. Die Landesverbände des BSW emanzipieren sich jedoch zunehmend von der Parteizentrale.
Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtet über den anhaltenden Streit zwischen Wagenknecht und Wolf. Wagenknecht wirft Wolf indirekt Betrug am Wähler vor, da sie die Forderungen der Parteizentrale nach schärferen Formulierungen im Koalitionsvertrag nicht ausreichend berücksichtigt habe. SPD-Landeschef Maier kritisiert Wagenknechts Einmischung und die Aufnahme neuer Mitglieder im Thüringer Landesverband als Versuch, den Landesverband zu disziplinieren.
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