19.10.2024
Streit um Lehrerstellen: Bei den Fakten bleiben

Streit um Lehrerstellen: Bei den Fakten bleiben

Ein Kommentar von Rainer Schulze

Die Hessischen Landesregierung kann erklären, warum 200 Lehrerstellen entfallen. Außerdem hat sie den Verlust mehr als kompensiert. Die Kritiker sollten verbal abrüsten und Tatsachen nicht verschweigen.

Wollte die Hessische Landesregierung klammheimlich 200 Lehrerstellen streichen und die schlechte Botschaft kurz vor den Sommerferien verstecken? Diesen Eindruck erwecken die Grünen im Landtag und die Stadt- und Kreiselternbeiräte. Sie holen das ganz große Kaliber hervor und sprechen von „Wortbruch“. Die Landesregierung habe ihr Wahlversprechen gebrochen, die Lehrerstellen deutlich aufzustocken. Aber stimmt das auch?

Die Kritiker sollten verbal abrüsten und bei den Fakten bleiben. Das Kultusministerium kann plausibel erklären, um welche Stellen es sich handelt, woher sie stammen und warum sie auslaufen. Die Stellen waren infolge einer alten Regelung eingeführt worden, um Überstunden auszugleichen. Diese Regel ist inzwischen ausgelaufen, die Stellen werden für diesen Zweck nicht mehr benötigt.

Nicht 200 Stellen weniger, sondern 600 mehr

Es ist Teil der normalen Haushaltsarithmetik, dass sie entfallen. Denn Stellen, die zweckgebunden sind, kann man nicht leichthin umwidmen, umschichten und entfristen. Die Opposition wäre vermutlich die Erste, die sich dann über Missachtung ihrer Beteiligungsrechte beschweren würde.

Hinzu kommt: Es sind gar nicht 200 Stellen weniger – sondern im Saldo sogar 600 Lehrerposten mehr entstanden. Und zwar netto. Der Verlust wurde also dreifach kompensiert. Natürlich lässt sich leicht fordern, dass es auch 800 Stellen mehr sein dürfen. Aber man muss das Lehrpersonal finanzieren können und für die zusätzlichen Stellen auch Bewerber finden.

Letzteres dürfte erst in einigen Jahren keine Schwierigkeit mehr sein, denn die Studienplätze an den Universitäten für das Lehramt sind ausgebaut worden und inzwischen auch weitgehend besetzt. Läuft alles wie geplant, können sich die Schulen in wenigen Jahren über eine Absolventenflut freuen.

Bis dahin müssen viele Schulen allerdings noch mühsam die Löcher im Kollegium stopfen. Vielerorts fehlen Lehrkräfte. Die Landesregierung sollte alle Wege nutzen, um den Bedarf schneller zu decken. Sie sollte den Quereinstieg weiter erleichtern und Pensionäre zurück an die Schulen holen. An manchen Stellen hat sie damit schon begonnen. Aber gerade beim Quereinstieg sollten die Spielräume größer sein.

Wie will man es sonst einem gut qualifizierten Bewerber schmackhaft machen, in den Lehrerberuf zu wechseln, wenn er in den ersten Jahren mit geringen Anwärterbezügen über die Runden kommen muss? Die Vorstellung, dass das Lehramt schon attraktiv genug ist, um finanzielle Nachteile auszugleichen, ist naiv.

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