September 29, 2024
Der unvergessliche Morgen im Kibbuz: Ein Überlebensbericht aus Nahal Oz

Menschen sind kaum verwundbarer, als wenn sie aus dem Schlaf gerissen werden. Der israelische Journalist Amir Tibon vernahm am frühen Morgen des 7. Oktobers 2023 ein Pfeifen, ein halb vertrautes Geräusch, das sich beinahe noch in seine Träume mischte. Es war seine Frau Miri, die das Pfeifen schneller zuordnen konnte: Es gehörte zu einer Mörsergranate, die aus Gaza abgeschossen worden war. Mit einem Einschlag, womöglich im eigenen Haus, war nun in jedem Moment zu rechnen. Die Zeit reichte gerade noch, um die Handys zu ergreifen, ein wenig Wasser mitzunehmen und zu einem Schutzraum zu laufen, in dem die beiden kleinen Töchter Galia und Carmel schliefen. Ein Vorgang, wie er für die Bewohner des Kibbuzes Nahal Oz im Süden Israels schon zur Routine gehörte. Nur war an diesem Morgen etwas deutlich anders. Denn der Beschuss hörte nicht auf, und Hilfe von Sicherheitskräften und vom Militär, das ganz in der Nähe einen Stützpunkt unterhielt, traf nicht ein. Das berichtet die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ (F.A.S.).

Tibon hat seine Erlebnisse vom 7. Oktober 2023 in seinem Buch „Die Tore von Gaza“ verarbeitet. Darin schildert er nicht nur die dramatischen Stunden im Schutzraum, sondern zeichnet auch ein Bild des Lebens im Kibbuz Nahal Oz, der unmittelbar an der Grenze zum Gazastreifen liegt. Der Kibbuz, 1953 gegründet, war immer wieder Ziel von Angriffen aus dem Gazastreifen. Doch der 7. Oktober markierte eine neue Dimension des Terrors.

In seinem Buch, das auf Deutsch im Jüdischen Verlag im Suhrkamp Verlag erschienen ist, verwebt Tibon die Geschichte seiner Familie mit der Geschichte des Kibbuz und des israelisch-palästinensischen Konflikts. Er beschreibt die Hoffnung, die mit dem Oslo-Abkommen im Jahr 1994 verbunden war, und die Ernüchterung, die folgte. Tibon, der für die israelische Tageszeitung „Haaretz“ arbeitet, hat für sein Buch mit zahlreichen Zeitzeugen gesprochen, darunter auch mit Soldaten und Polizisten, die am 7. Oktober in Nahal Oz im Einsatz waren.

„Die Tore von Gaza“ ist ein erschütterndes Dokument des Grauens, aber auch ein Plädoyer für die Hoffnung. Tibon macht deutlich, dass es trotz allem notwendig ist, den Dialog mit den Palästinensern zu suchen. Denn nur so könne der Teufelskreis der Gewalt durchbrochen werden.

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