September 28, 2024
Libanon Konflikt: Hisbollahs Stille im Angesicht der Gewalt

Angriffe in Libanon: Die Hisbollah schweigt im Bombenhagel

Der Libanon-Krieg hat am vergangenen Freitag seinen bisherigen Höhepunkt erreicht. Wie die FAZ berichtet, erschütterte am frühen Abend eine gewaltige Explosion Beirut, die noch in weiter Entfernung Fensterscheiben erzittern ließ. Kurz darauf folgte die Nachricht, die das Land seitdem in Atem hält: Israelische Kampfflugzeuge hatten das Hauptquartier der Hisbollah im Süden der Hauptstadt bombardiert.

Bei dem Ziel handelte es sich laut Sicherheitskreisen um einen weitläufigen, unterirdischen Bunker- und Tunnelkomplex, der bis zu 30 Meter tief unter die Erde reichte. Zum Einsatz kamen bunkerbrechende Bomben, die auch mehrere Wohngebäude zerstörten. Ziel des Angriffs war der Hisbollah-Anführer Hassan Nasrallah, über dessen Schicksal auch am Samstagmorgen noch immer Ungewissheit herrschte. Die Hisbollah selbst hüllt sich in Schweigen, aus ihren Reihen dringen widersprüchliche Informationen. Auch von israelischer Seite gibt es weder eine Bestätigung noch ein Dementi über den Tod Nasrallahs.

Die israelische Armee hatte die Bewohner der südlichen Vororte Beiruts zuvor aufgefordert, bestimmte Gebäude zu meiden, da dort Raketenlager der Hisbollah vermutet und diese bombardiert würden. Kurz darauf wurde die dicht besiedelte Gegend von einer heftigen Angriffswelle erschüttert. Nach einer kurzen Feuerpause wiederholte sich das Szenario. Auch in der Nähe des internationalen Flughafens von Beirut schlugen Bomben ein. Der Sender Al Jazeera zeigte in der Nacht Bilder eines landenden Passagierflugzeugs – im Hintergrund der durch Explosionen rot gefärbte Nachthimmel. Die israelische Luftwaffe ließ nach eigenen Angaben Kampfflugzeuge über dem Gebiet patrouillieren, um Waffenlieferungen an die Hisbollah zu unterbinden.

Im Zentrum von Beirut spielten sich derweil Szenen der Angst und Verzweiflung ab. Zahlreiche Menschen aus den südlichen Vororten suchten dort Schutz unter freiem Himmel oder an den Stränden der Hauptstadt. Sie waren vor den Bombardements geflohen, die sich durch die Nacht zogen. Lange Zeit war Dahieh, wie der Süden Beiruts genannt wird, von den Kämpfen der letzten Monate weitgehend verschont geblieben. Zuletzt hatte es jedoch Angriffe auf Hisbollah-Militärführer gegeben, bei denen auch Dutzende Zivilisten getötet wurden. Seit der Nacht zum Samstag scheint nun auch diese Gegend zur Kriegszone zu gehören. Die humanitäre Krise im Libanon spitzt sich weiter zu, die UN sprechen bereits von einer Katastrophe.

Der israelische Ministerpräsident zeigte sich angesichts der militärischen Machtdemonstration siegessicher. „Unsere Feinde dachten, wir seien ein Spinnennetz, das hat einer von ihnen einmal gesagt“, sagte er in Anspielung auf eine Rede Nasrallahs aus dem Jahr 2006. „Welches Spinnennetz? Wir haben Sehnen aus Stahl, sowohl des Willens als auch der Kraft.“ Die Hisbollah kommentierte die jüngsten Ereignisse zunächst nur mit Meldungen über einige wenige abgeschossene Raketen auf Israel und einer knappen Stellungnahme, in der die Berichte über Waffenlager im Süden Beiruts als Lüge bezeichnet wurden.

Die dezimierte Führung der Organisation steht nun vor schwierigen Entscheidungen, wie sie auf die weitere Eskalation reagieren soll. Beobachter halten alle Optionen für offen. Nach den Sabotageaktionen mit explodierenden Pagern und Funkgeräten sowie den Schlägen gegen die Militärführung in den vergangenen Wochen hat die Hisbollah nun einen weiteren schweren Schlag einstecken müssen – nicht zuletzt für ihre Moral. In der schiitischen Bevölkerung hat die Unterstützung für die Miliz bereits stark nachgelassen. Das zeigen Besuche in Notunterkünften, in denen Menschen aus dem umkämpften Süden Zuflucht gesucht haben. Sie alle wünschen sich ein Ende der Gewalt.

Doch danach sieht es am Samstagmorgen nicht aus. Die Schrecken der Freitagnacht könnten für die leidgeprüfte libanesische Bevölkerung erst der Anfang sein. Am Samstagmorgen war in ganz Beirut eine weitere heftige Detonation zu hören.

Quelle: FAZ.NET

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