19.10.2024
Wiederwahl von Tebboune: Ein Blick auf die politische Landschaft Algeriens

Tebboune als algerischer Präsident wiedergewählt

Am 7. September 2024 fanden in Algerien Präsidentschaftswahlen statt, bei denen der amtierende Präsident Abdelmadjid Tebboune mit einem klaren Ergebnis von 94,65 Prozent der Stimmen wiedergewählt wurde. Laut der algerischen Wahlbehörde ANIE gab es eine Wahlbeteiligung von nur 48 Prozent, was im Vergleich zu den vorherigen Wahlen eine geringe Mobilisierung der Wählerschaft darstellt.

Tebboune, der offiziell als unabhängiger Kandidat antrat, erhielt über 5,3 Millionen Stimmen von insgesamt 5,6 Millionen registrierten Wählern. Seine beiden Herausforderer, Abdelaali Hassani Cherif von der moderat islamistischen Bewegung der Gesellschaft für Frieden (MSP) und Youcef Aouchiche von der Front der sozialistischen Kräfte (FFS), konnten zusammen weniger als 300.000 Stimmen erreichen. Diese Ergebnisse zeigen, dass die Opposition in Algerien stark geschwächt ist.

Wahlbeteiligung und gesellschaftliche Stimmung

Die Wahlbeteiligung von 48 Prozent ist eine besorgniserregende Zahl, die auf eine wachsende Entfremdung der Wähler von dem politischen Prozess hinweist. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2019 lag die Wahlbeteiligung sogar bei rund 40 Prozent. Diese niedrigen Zahlen sind Ausdruck des Misstrauens vieler Algerier gegenüber dem politischen System und der Regierung, die von vielen als autoritär wahrgenommen wird.

Die Hirak-Protestbewegung, die 2019 gegen die Regierung von Tebboune Vorgänger Abdelaziz Bouteflika mobilisierte, hat durch die Repression und die Verhaftung von Oppositionellen an Einfluss verloren. Menschenrechtsorganisationen, wie Amnesty International, berichten von einer stetigen Erosion der Menschenrechte in Algerien, insbesondere in Bezug auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

Politische Unterstützung und Herausforderungen

Tebboune erhielt die Unterstützung mehrerer großer politischer Gruppierungen, darunter die ehemalige Einheitspartei FLN und die islamistische Bewegung Al-Bina. Diese Unterstützung hat es ihm ermöglicht, sich als stabiler Kandidat zu präsentieren, obwohl die tatsächliche politische Landschaft von Korruption und einem starken Einfluss des Militärs geprägt ist. Der militärische Apparat hat seit Jahrzehnten eine entscheidende Rolle in der algerischen Politik gespielt und wird auch weiterhin als wichtiger Machtfaktor angesehen.

Die Wahl wurde von verschiedenen Beobachtern als gesichert für Tebboune angesehen, was die geringe Wahlbeteiligung und die Unzufriedenheit der Wähler weiter verdeutlicht. Die Vorwürfe von Wahlbetrug, die von den Herausforderern erhoben wurden, unterstreichen die angespannten politischen Verhältnisse und das Misstrauen in den Wahlprozess.

Wirtschaftliche Perspektiven und soziale Herausforderungen

In seiner ersten Amtszeit hat Tebboune versucht, die wirtschaftliche Abhängigkeit Algeriens von Öl und Gas zu verringern. Trotz dieser Bemühungen bleibt das Land stark von den Einnahmen aus dem Rohstoffsektor abhängig, und die Arbeitslosigkeit, insbesondere unter Jugendlichen, bleibt ein drängendes Problem. Viele junge Algerier sehen keine Perspektiven im eigenen Land und streben eine Zukunft im Ausland an.

Die politischen Versprechen von Tebboune, die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern und Arbeitsplätze zu schaffen, sind in der Bevölkerung auf Skepsis gestoßen. Die anhaltenden sozialen Probleme und die unzureichende Umsetzung von Reformen haben das Vertrauen in die Regierung weiter geschwächt.

Ausblick und Schlussfolgerung

Die Wiederwahl von Abdelmadjid Tebboune stellt eine Fortsetzung der bestehenden politischen Ordnung in Algerien dar. Die Herausforderungen, vor denen das Land steht, sind erheblich, und die Notwendigkeit für Reformen und einen echten Dialog mit der Bevölkerung bleibt drängend. Die anhaltende Repression gegen politische Gegner und die Einschränkung der Meinungsfreiheit könnten langfristig zu weiteren Unruhen und einer verstärkten Abwanderung junger Talente führen.

Die kommenden Monate werden entscheidend dafür sein, ob Tebboune in der Lage ist, das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen und die notwendigen Veränderungen herbeizuführen, um die sozialen und wirtschaftlichen Probleme des Landes anzugehen.

Quellen: F.A.Z., ZDF, Die Zeit, Agenzia Nova.

Weitere
Artikel