18.11.2024
Wolfram Siebeck Ein Vermächtnis des Genusses

Wolfram Siebecks Mission: Den Deutschen Geschmack beibringen

Wolfram Siebeck, ein Name, der untrennbar mit der Entwicklung der deutschen Esskultur verbunden ist. Der Gastrokritiker, der 2016 verstarb, prägte mit seinen pointierten Texten und humorvollen Kolumnen generationenübergreifend den deutschen Gaumen. Wie Lavinia Kiessler in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) am 18.11.2024 berichtete, finden sich Siebecks Kochbücher noch heute in deutschen Haushalten, wenngleich die darin enthaltenen Rezepte manchmal als etwas aus der Zeit gefallen wahrgenommen werden. Kiesslers Großmutter beispielsweise, bezeichnet Siebeck als „selbst ernannten Feinschmecker“ und nutzt sein Kochbuch „Alle meine Rezepte“ zwar nicht mehr aktiv, bewahrt es aber als Relikt vergangener Koch-Sessions auf. Siebecks eigene kulinarische Prägung war, wie die FAZ berichtet, weniger positiv. Die Hausmannskost seiner Kindheit empfand er als Zumutung. Erst in Frankreich entdeckte er den Genuss, der sein Leben bestimmen sollte. Diese Erfahrung motivierte ihn, den Deutschen die französische Genusskultur näherzubringen. Seine Karriere begann zunächst als Schildermaler und Pressezeichner für die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ), bevor er zum Schreiben fand. Aufträge für die Zeitschrift „Twen“, den „Feinschmecker“, den „Stern“ und schließlich „Die Zeit“ folgten. Für die „Zeit“ bereiste er mit seiner Frau Barbara die Welt, immer auf der Suche nach kulinarischen Erlebnissen, über die er bis zu seinem Tod berichtete. Auch sein Blog „Wo is(s)t Siebeck“ dokumentierte bis 2015 seine kulinarischen Reisen. Siebeck kritisierte die deutsche „Plumpsküche“, wie er sie nannte, und forderte hochwertige Zutaten. Er organisierte sogar mit Sterneköchen einen Fahrdienst, der frische Produkte vom Pariser Großmarkt nach München brachte. Dabei ging es ihm nicht nur um Luxus, sondern auch um die Wiederentdeckung verpönter Zutaten wie Innereien – ein aus heutiger Sicht nachhaltiger Ansatz. Sein kritischer Ton polarisierte. So wünschte sich Günter Herburger 1975 in einem Gedicht ein Verbot von Siebecks Kolumnen. Gleichzeitig war das Interesse an seinen Rezepten groß. Die FAZ erzählt die Anekdote, wie Siebecks Empfehlung, Puy-Linsen im Reformhaus zu suchen, zu zahlreichen Briefen von Ladenbesitzern führte, die ihn baten, sie vor zukünftigen Rezepten zu warnen, um die Nachfrage bedienen zu können. Siebeck, Julia Child und Jacques Pépin gehören einer Generation an, die die Essgewohnheiten ihrer Länder maßgeblich beeinflussten. Doch auch wenn ihre Rezepte heute teilweise als veraltet gelten, bleibt ihre Botschaft relevant. So hinterfragt der Youtuber Jamie Tracey auf seinem Kanal „Anti-Chef“ die Aktualität von Julia Childs Rezepten. Ähnlich verhält es sich mit Siebecks Rezepten, die, wie Kiesslers Großmutter anmerkt, oft sehr fleischlastig sind. Ein Beispiel aus ihrem Kochbuch ist das „Pot-au-Feu Royal“, ein Fleischeintopf mit einer Vielzahl an Fleischsorten. Siebeck selbst räumte ein, dass seine Rezepte nicht für jedermann erschwinglich waren. Trotzdem sind Siebecks Botschaften, wie die FAZ betont, zeitlos. Er lehrte „klassisches“ Kochen in einer Zeit, in der Fast Food und Toast Hawaii dominierten. Er setzte sich für Bio-Landwirtschaft und frische Produkte ein. Seine wichtigste Botschaft: Sich Zeit nehmen, das Essen wertschätzen und den Genuss zelebrieren. Das Problem der Deutschen sei, so Siebeck, dass sie beim Essen sparen, während sie bei Technik und Autos auf Qualität achten. Heute vermitteln Internet und soziale Medien kulinarische Inhalte. Rezeptvideos auf Instagram und Tiktok sind auf wenige Sekunden reduziert. Die Kochmedien unterhalten und informieren. Das Internet hat zu einer Demokratisierung des guten Essens geführt: Rezepte sind online verfügbar und Essgewohnheiten werden toleranter betrachtet. Frankreich ist nicht mehr das einzige kulinarische Vorbild. Quellen: - Frankfurter Allgemeine Zeitung: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/wolfram-siebecks-postume-memoiren-ohne-reue-und-rezept-110112794.html - Amazon: https://www.amazon.de/wolfram-siebeck-kochbuch-B%C3%BCcher/s?k=wolfram+siebeck+kochbuch&rh=n%3A186606 - Esslinger Zeitung: https://www.esslinger-zeitung.de/inhalt.bekenntnisse-eines-gourmets-voll-auf-genuss-mit-wolfram-siebeck.74b5d126-70f7-4747-8186-3aefe3145187.html - Deutschlandfunk Kultur: https://www.deutschlandfunkkultur.de/bratkartoffelbarbarei-und-mehlschwitze-der-bundesbuerger-100.html - Stuttgarter Zeitung: https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.bekenntnisse-eines-gourmets-voll-auf-genuss-mit-wolfram-siebeck.74b5d126-70f7-4747-8186-3aefe3145187.html - YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=zWDLI-eMLJI - Cicero: https://www.cicero.de/kultur/der-kulinarische-sundenfall/37078
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