19.10.2024
Abu Dhabi im Fokus: WTO ringt um Kompromisse in stürmischen Verhandlungszeiten
In Abu Dhabi: Die Welthandelsorganisation steht vor schwierigen Verhandlungen Die Welthandelsorganisation (WTO) steht vor einem herausfordernden Kapitel ihrer Geschichte. Beim jüngsten Ministertreffen in Abu Dhabi, das Ende Februar 2024 stattfand, zeichneten sich die Schwierigkeiten bereits im Vorfeld ab. Die Teilnehmenden erwarteten „komplizierte und unvorhersehbare“ Diskussionen. Die Hoffnung auf ein großes, umfassendes Abkommen war zwar gering, doch kleine Fortschritte, sogenannte Lebenszeichen, schienen möglich. Die WTO, eine zwischenstaatliche Organisation, die sich mit der Regelung des internationalen Handels befasst, sieht sich mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert, welche die Grundfesten des multilateralen Handelssystems berühren. Konflikte, die Themen wie Überfischung, Zölle für E-Commerce und die Besetzung der Schlichtungsgerichte umfassen, prägen die Verhandlungsagenda. Die Fischerei stellt einen der zentralen Konfliktpunkte dar. Während die Gefährdung der Fischbestände unbestritten ist, herrscht Uneinigkeit darüber, was als illegale Fischerei und schädliche staatliche Subventionen angesehen werden sollte. Ein aktueller Verhandlungsvorschlag sieht vor, dass Regierungen durch wissenschaftliche Nachweise belegen können, dass ihre Subventionen nicht zur Überfischung beitragen, um Anklagen vor der WTO zu vermeiden. Kritiker, wie zum Beispiel der WWF, bemängeln jedoch, dass zahlreiche Staaten auch den Bau von Schiffen subventionieren, obwohl die Flotten bereits zu groß seien. Besonders für ärmere Länder, in denen die Kleinfischerei eine wesentliche Rolle für die Ernährungssicherheit spielt, wird die Lage als problematisch angesehen. Ein weiteres kontroverses Thema sind mögliche Zölle auf digitale Dienste. Indien möchte Zölle auf grenzüberschreitende digitale E-Commerce-Transaktionen und Datenübertragungen einführen, was von den USA und der EU abgelehnt wird. Hierbei argumentiert Indien, dass digitale Güter wie Bücher und Videos, die ehemals traditionellen Tarifregeln unterlagen, nunmehr als digitale Dienste zur Verfügung stehen und daher ebenfalls Zöllen unterliegen sollten. Die Diskussion um Patente, insbesondere im Kontext der Covid-19-Pandemie, hat sich inzwischen beruhigt. Dennoch ist das Thema nicht vom Tisch. Im Jahr 2022 wurde trotz Widerstands führender Herstellerländer eine befristete Aussetzung der Patente auf Covid-19-Impfstoffe beschlossen. Ein automatisches Patent-Aussetzungsverfahren bei globalen Notlagen, wie es innerhalb der WHO diskutiert wird, könnte eine Lösung darstellen. Was die Besetzung der WTO-Schlichtungsgerichte betrifft, so blockieren die USA seit einiger Zeit die Ernennung neuer Richter. Dieses Problem bleibt ungelöst, obwohl mit einem Verfahrenstrick Ersatzgerichte geschaffen wurden, deren Urteile weitgehend anerkannt sind. Die WTO-Konferenz in Abu Dhabi steht somit exemplarisch für den Zustand der Organisation, die in einem schwierigen internationalen Umfeld um Relevanz und Effektivität ringt. Während die großen systemischen Fragen nach wie vor unbeantwortet bleiben, bleibt die WTO ein zentraler Pfeiler des regelbasierten internationalen Handels. Das Treffen in Abu Dhabi könnte daher ein Barometer für die Zukunft der Welthandelsordnung sein. Die Mitgliedsstaaten stehen vor der Aufgabe, Kompromisse zu finden und das multilaterale Handelssystem an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen.
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