15.10.2024
Antonio Skármeta gestorben Ein Leben zwischen Literatur und Politik

Dieser Schriftsteller aus Chile, einer der freundlichsten, die man sich vorstellen kann, hatte verschiedene Leben, und alle von ihnen hat er voll gelebt: erst als junger Student mit literarischen Ambitionen in Santiago de Chile, wo Antonio Skármeta Philosophie studierte. Dann als Exilant von 1973 an, die Jahre, in denen er endgültig zum Schriftsteller wurde. Später als Diplomat. Und noch später als Fernsehmoderator und öffentliche Figur, verehrt, geliebt, mit seinem Weltruhm als Leichtgepäck auf dem Rücken. Wie die FAZ berichtet, war der Bruch 1973 aber eine ernste Sache, wie er es für alle Chilenen war, eine Markierung der Biographie für immer.

Als Skármeta nach dem Militärputsch und dem Beginn des Pinochet-Regimes Chile verlassen musste, zog es ihn erst nach Argentinien und kurz darauf nach Deutschland, in den Westen Berlins, wo er als Theater- und Drehbuchautor arbeitete. Auch in deutschen Verlagen veröffentlichte er fortan seine Bücher: den schmalen Roman „Ich träumte, der Schnee brennt“ (1975, deutsch 1978) etwa sowie Kinder- und Jugendbücher, die er bei Lesungen mit besonderem Charme vortrug.

Und dann schrieb er das Buch, auf das jeder Autor in seiner Karriere hofft: einen Bestseller, der sich in eine kulturelle Ikone verwandelte. Unter dem ursprünglichen Titel „Mit brennender Geduld“ kennt man diesen Roman aus dem Jahr 1985 nur noch in Deutschland. Viel bekannter wurde der von Skármeta ursprünglich als Drehbuch konzipierte, dann selbst verfilmte Stoff, als der britische Regisseur Michael Radford ihn 1994 auf der Insel Procida im Golf von Neapel noch einmal verfilmte. Jetzt hieß er „Il postino“ oder auch „The Postman“ und machte Weltkarriere.

Doch auch der Film mit Philippe Noiret und dem unwiderstehlichen Massimo Troisi in seiner letzten Rolle (er starb mit 41 Jahren, einen Tag nach dem Ende der Dreharbeiten) war nur ein Vehikel für den Stoff: Er verhalf dem Thema, das Skármeta erfunden hatte, zu universalem Ruhm. Woraus bestand es? Aus nichts weiter als der kleinen, unbedeutenden Geschichte eines Briefträgers, der sich von dem weltbekanntem Dichter Pablo Neruda in Liebesdingen beraten lässt, konkret: wie man das Herz einer Frau durch das Verfassen von Versen und den gekonnten Einsatz von Sprache gewinnt. Man lernt sogar, was eine Metapher vermag.

Zwischendurch kommt natürlich auch große Politik ins Spiel, doch es bleibt eine romantische Story, und wer weiß, ob die erstaunliche Szene, da die schöne Maria (Beatrice Russo) sich ein rohes Ei ins Dekolleté rollen lässt, nicht zu den süßesten, witzigsten, unschuldigsten erotischen Szenen des Kinos gehört. Von fünf Oscar-Nominierungen blieb am Ende ein gewonnener Academy Award für die Musik übrig. Heute ist der Roman „Mit brennender Geduld“ oder „Der Postbote Nerudas“, mit dem alles begann, in mehr als dreißig Sprachen übersetzt, vielfach für die Bühne bearbeitet und sogar in eine Oper verwandelt worden.

Botschafter der Herzen

1989 kehrte Skármeta nach Chile zurück, schrieb weitere Bücher und moderierte eine erfolgreiche Büchershow im chilenischen Fernsehen, die sich zehn Jahre lang hielt. Im Jahr 2000 kam er als Botschafter der Lagos-Regierung noch einmal nach Berlin und blieb dort drei Jahre lang – ein weiterer lateinamerikanischer Intellektueller, der sich in diplomatischen Dienst nehmen ließ, wie es vor ihm schon Pablo Neruda und Octavio Paz getan hatten.

Bis zum Ende besaß Skármeta die Gabe des Komischen, das sich mit schwer zu übertreffender Freundlichkeit paart. Seine Bücher waren ebenso freundlich wie der Mann selbst, und wer ihm vorgeworfen hätte, dass der Künstler Skármeta zu viel Romantik in seine Seiten zu packen pflegte, hätte womöglich zur Antwort erhalten, es gebe auf der Welt nie genug davon, einer müsse sich schließlich darum kümmern.

2002 erhielt er die Goethe-Medaille für seine Verdienste um die deutsche Sprache, 2003 den Bremer Hansepreis für Völkerverständigung, 2014 in seiner Heimat den Nationalpreis für Literatur. Zum Begriff der Avantgarde sagte der Autor, nicht er selbst müsse vorangehen, besser sei es, wenn seine Bücher dafür sorgten, dass andere vorangehen. Jetzt ist Antonio Skármeta, der Erfinder des romantischsten Postboten der Literatur, im Alter von 83 Jahren in Santiago de Chile gestorben.

Der chilenische Schriftsteller und ehemalige Botschafter in Deutschland, Antonio Skármeta, ist im Alter von 83 Jahren gestorben. „Unsere Universitätsgemeinschaft nimmt traurig Abschied“, teilte die Universität von Chile mit, an der der international bekannte Autor Philosophie studierte und später als Akademiker arbeitete. Die Todesursache wurde nicht genannt. Skármeta erhielt nicht nur den Nationalen Literaturpreis 2014, sondern wurde auch weltweit für sein Werk ausgezeichnet. Er etablierte sich als eine der führenden Figuren der chilenischen Erzählkunst. Wie die dpa berichtet, wurde Skármeta in der Wüstenstadt Antofagasta im Norden Chiles 1940 geboren. Anfang der 60er Jahre studierte er Philosophie in Chile und Literatur in New York. „Ardiente Paciencia“ („Mit brennender Geduld“) war einer seiner populärsten Romane, wie die Zeitung „Bio Bio Chile“ berichtete. Sein Werk wurde auch verfilmt.

Die Diktatur Augusto Pinochets trieb ihn ins Exil - über Argentinien nach West-Berlin. Dort schrieb er seinen ersten Roman: „Soñé que la nieve ardía“ („Ich träumte, der Schnee brennt“). In Deutschland, wo er auch als Drehbuchautor mit Peter Lilienthal zusammenarbeitete, fühlte er sich nach eigenen Worten als Botschafter des demokratischen Lebens und der Kultur Chiles. Nach der Rückkehr in sein Heimatland mit dem Fall der Diktatur zog er 2000 erneut um - für drei Jahre in das inzwischen wiedervereinte Berlin, diesmal als Botschafter.

Skármetas Karriere erstreckte sich auf die Bereiche Literatur, Theater, Film und Diplomatie. 2003 gewann er den hochdotierten spanischen Planeta-Preis. „Danke Meister, für das Leben, das du gelebt hast. Für die Kurzgeschichten, Romane und das Theater. Für das politische Engagement. Für die Bücherschau, die die Grenzen der Literatur erweitert hat“, teilte Chiles Präsident Gabriel Boric über die Plattform X mit. Chiles Kulturministerium betonte: „Sein Vermächtnis und sein Engagement für die chilenische Kultur werden in jedem seiner Werke weiterleben.“

Quelle: FAZ.NET

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