19.10.2024
Barnier übernimmt das Amt des Premierministers in Frankreich

Macron ernennt Ex-EU-Kommissar Barnier zum neuen Premierminister

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat am 5. September 2024 den ehemaligen EU-Kommissar Michel Barnier zum neuen Premierminister ernannt. Diese Entscheidung folgt auf einen zweimonatigen politischen Stillstand, der nach den Parlamentswahlen im Juli 2024 entstanden war. Barnier, ein erfahrener Politiker mit einer langen Karriere in der französischen Politik und der Europäischen Union, wurde mit der Aufgabe betraut, eine neue Regierung zu bilden.

Hintergrund der Ernennung

Die Ernennung von Barnier erfolgt in einem Kontext, in dem die französische Nationalversammlung keine klare Mehrheit für eine der politischen Strömungen hervorgebracht hat. Bei den Wahlen im Juli 2024 erzielte das linke Bündnis Nouveau Front Populaire (NFP) die meisten Sitze, gefolgt von Macrons Mitte-Links-Bündnis Ensemble und dem rechtsnationalen Rassemblement National (RN). Barnier gehört der konservativen Partei Les Républicains (LR) an, die bei den Wahlen nur 60 Sitze erringen konnte, was etwa 7 Prozent der Wählerstimmen entspricht.

Michel Barnier: Ein erfahrener Politiker

Michel Barnier, 73 Jahre alt, hat eine bemerkenswerte politische Karriere hinter sich. Er war unter verschiedenen Präsidenten in mehreren Ministerposten tätig, darunter als Umweltminister unter François Mitterrand, Außenminister unter Jacques Chirac und Landwirtschaftsminister unter Nicolas Sarkozy. Zudem war er als EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen sowie als Chefunterhändler der EU für die Brexit-Verhandlungen bekannt. Diese Erfahrungen machen ihn zu einem prominenten und respektierten Politiker, jedoch steht er nun vor der Herausforderung, eine stabile Regierung zu bilden.

Die Herausforderung der Regierungsbildung

Die Hauptaufgabe von Barnier wird es sein, eine Regierung zu bilden, die sowohl im Parlament als auch in der Öffentlichkeit Unterstützung findet. Die Konservativen haben bereits signalisiert, dass sie nicht Teil einer Regierung unter Barnier sein wollen, könnten jedoch eine solche Regierung zumindest dulden. Die Unterstützung von Macrons eigener Partei ist ihm gewiss, jedoch bleibt unklar, wie er die notwendige Unterstützung von den linken Parteien gewinnen kann.

Die ersten Reaktionen auf Barniers Ernennung waren gemischt. Während die Macron-nahe Partei Renaissance erklärte, dass sie nicht grundsätzlich gegen Barnier sei, äußerten sich Vertreter der linken Parteien kritisch. Der sozialistische Parteichef Olivier Faure bezeichnete die Ernennung als „Höhepunkt der Demokratieverweigerung“ und verwies darauf, dass Barniers Partei bei den Wahlen nur den vierten Platz belegt hatte. Auch der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon sprach von einem „gestohlenen Wahlsieg“ und kritisierte Barnier als Kandidaten, der dem RN am nächsten stehe.

Politische Dynamik und mögliche Szenarien

Die politische Dynamik in Frankreich ist derzeit angespannt. Barnier muss sich nicht nur mit der Opposition auseinandersetzen, sondern auch mit der Realität, dass kein Lager eine absolute Mehrheit hat. Dies bedeutet, dass er möglicherweise auf die Unterstützung des RN angewiesen sein könnte, um eine Mehrheit für seine Regierung zu sichern. Der RN hat bereits signalisiert, dass sie Barnier an seinen politischen Entscheidungen messen werden und sich alle politischen Mittel vorbehalten, um ihre Interessen durchzusetzen.

Die Ernennung von Barnier könnte auch Auswirkungen auf die europäische Politik haben, insbesondere in Bezug auf die Brexit-Verhandlungen und die Beziehungen zwischen Frankreich und anderen EU-Staaten. Barnier hat in der Vergangenheit die rechtsextreme Rhetorik kritisiert und betont, dass er sich nicht mit den Rechtsextremen einlassen werde. Dennoch könnte seine politische Positionierung in den kommenden Monaten von Bedeutung sein, insbesondere wenn es um die Migrationspolitik geht, ein Thema, das sowohl für den RN als auch für Barnier selbst von zentraler Bedeutung ist.

Fazit

Die Ernennung von Michel Barnier zum Premierminister stellt einen bedeutenden Schritt in der politischen Landschaft Frankreichs dar. Angesichts der komplexen politischen Situation und der Herausforderungen, die vor ihm liegen, wird es entscheidend sein, ob Barnier in der Lage ist, eine stabile und funktionierende Regierung zu bilden. Die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, wie sich die politische Dynamik entwickeln wird und ob Barnier die Unterstützung finden kann, die er benötigt, um erfolgreich zu regieren.

Quellen: ZEIT ONLINE, Frankfurter Rundschau, Euractiv.

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