19.12.2024
Bernhards Jugend in Schwarz-Weiß Kummers Comicbiografie vollendet

Lukas Kummers Comic-Adaption von Thomas Bernhards Autobiographie abgeschlossen

Mit dem fünften Band „Das Kind“ hat Lukas Kummer seine Comic-Umsetzung von Thomas Bernhards autobiographischem Werk vollendet. Der Residenz Verlag, der auch Bernhards Originalwerke verlegt, brachte den letzten Teil der Reihe heraus. Wie Andreas Platthaus in der FAZ berichtet, benötigte Kummer für die visuelle Adaption der fünf autobiographischen Bücher, die Bernhard zwischen 1975 und 1982 veröffentlichte, einen ähnlichen Zeitraum wie der Autor selbst für das Schreiben.

Platthaus hebt in der FAZ die enge Orientierung Kummers an den Originaltexten hervor. Sämtliche Dialoge entstammen direkt Bernhards Büchern und folgen deren Reihenfolge. Diese Texttreue unterscheidet Kummers Werk von der freieren Interpretation Nicolas Mahlers. Kummer, Jahrgang 1988, konzentriert seine eigene Interpretation auf die visuelle Ebene. Wiederholung ist sein grafisches Hauptprinzip, unterstützt durch stilisierte Figuren und eine reduzierte schwarz-grau-weiße Farbgebung, die an Piktogramme erinnert.

Trotz der minimalistischen Ästhetik sind Kummers Zeichnungen ausdrucksstark. Die leeren Gesichter der Figuren bieten dem Leser Raum für eigene Interpretationen, basierend auf Bernhards Text. Kummers Stil erinnert an die Ligne claire, die er konsequent verfolgt. Die Verzweiflung des jungen Bernhard inmitten einer Gesellschaft aus Nazis, strengen Katholiken und Spießbürgern wird durch die Wortkaskaden und die repetitiven Bildsequenzen eindrücklich vermittelt. Der Comic-Blog Comic-Denkblase betont, dass Kummer seinen Stil dem Thema angepasst und reduziert, grafischer und schwarz-weiß gestaltet hat. Die sich wiederholenden, nur in Details variierenden Panels unterstreichen die Monotonie und Beklemmung der Internatszeit.

Besonders „Das Kind“, das Bernhards früheste Kindheitserinnerungen behandelt, schließt den Kreis und führt zurück zum Anfang von „Die Ursache“, dem ersten Band des Zyklus. Im Gegensatz zu den Vorgängern trägt „Das Kind“ keinen Untertitel, der eine spezifische Lebensphase Bernhards beschreibt. Karin Krichmayr erläutert im Standard-Comicblog Pictotop, dass Kummer den absatzlosen Originaltext von „Die Ursache“ gekürzt und adaptiert hat. Sie lobt die geradlinige, strenge Grafik, die den Ton des Originals trifft und eine neue, stimmige Ebene hinzufügt. Die Gleichförmigkeit der Bilder spiegele die Angst, Verachtung und Widerwärtigkeit des Systems der Misshandlungen wider.

Die Schwierigkeit der Adaption lag laut Kunsthochschule Kassel darin, Bernhards komplexer Prosa und seinem charakteristischen Stil gerecht zu werden. Kummer entwickelte einen eigenen Stil, der die Wiederholungen und Übertreibungen in Bernhards Text aufgreift. Die minimal variierten Panels sind ein Kennzeichen der Adaption. Kummer recherchierte zudem in Salzburg, um die Atmosphäre von Bernhards Jugend einzufangen.

Der Residenz Verlag hat die fünfbändige Reihe komplett veröffentlicht und bietet sie auch als Schuber an. Obwohl die Verkaufszahlen nicht an Mahlers Bernhard-Comics heranreichen, bewertet die FAZ die Veröffentlichung als Bereicherung für den deutschsprachigen Comic. Die parallele Lektüre von Bernhards Originaltexten und Kummers Adaption wird empfohlen.

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