September 25, 2024
BGH entscheidet über Meinungsfreiheit und Volksverhetzung im Fall Stolz

Bundesgerichtshof: BGH urteilt zu Freispruch für Holocaustleugnerin

Am 25. September 2024 wird der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe über einen umstrittenen Fall entscheiden, der die Grenzen der Meinungsfreiheit und die strafrechtliche Verfolgung von Volksverhetzung betrifft. Im Zentrum des Verfahrens steht Sylvia Stolz, eine bereits vorbestrafte Frau aus Ebersberg, die in einem 339 Seiten langen Fax an das Finanzamt München den Holocaust leugnete. Der Fall wirft die Frage auf, ob solche Äußerungen, die in einem Schreiben an eine Behörde gemacht werden, als Volksverhetzung eingestuft werden können.

Der Dritte Strafsenat des BGH hatte bereits im August 2024 eine mündliche Verhandlung zu diesem Thema abgehalten. Der Hintergrund des Verfahrens ist, dass Stolz in der Vergangenheit bereits zweimal wegen Volksverhetzung verurteilt wurde. Ihr jüngstes Schreiben, das sie 2021 an das Finanzamt schickte, enthält Passagen, in denen sie die historische Realität des Holocausts in Frage stellt. Das Landgericht München II hatte Stolz jedoch von den Vorwürfen freigesprochen, da es der Ansicht war, dass die Äußerungen nicht öffentlich verbreitet wurden, sondern lediglich an eine Behörde gerichtet waren.

Die Entscheidung des Landgerichts stützte sich auf die Argumentation, dass die Äußerungen in einem vertraulichen Kontext gemacht wurden und die Vertraulichkeit der Finanzbehörden gewahrt sei. Die Richter verwiesen auf die „hohe Datensensibilität der Finanzbehörden“ und die Verschwiegenheitspflicht der dort Beschäftigten. Daher sahen sie keinen Tatbestand der Volksverhetzung gegeben, da die Äußerungen nicht an die breite Öffentlichkeit gerichtet waren.

Die Staatsanwaltschaft legte gegen dieses Urteil Revision ein und argumentierte, dass auch in einem Schreiben an eine Behörde mit einer Kettenverbreitung zu rechnen sei. Der Vertreter der Bundesanwaltschaft wies darauf hin, dass der Absender nicht kontrollieren könne, an wen das Schreiben weitergeleitet wird. Dies könnte dazu führen, dass die Inhalte auch in einem öffentlichen Kontext diskutiert oder verbreitet werden.

Stolz' Verteidiger hingegen betonte, dass selbst bei einer Weitergabe an Strafverfolgungsbehörden nur ein sehr begrenzter Personenkreis mit den Inhalten in Berührung komme. Er argumentierte weiter, dass die Anwendung des Paragrafen zur Volksverhetzung nicht übermäßig ausgeweitet werden dürfe, da dies auch private Äußerungen betreffen könnte, die in einem geschützten Rahmen getätigt werden.

Die Diskussion im BGH drehte sich auch um die Frage, ob die Leugnung des Holocausts in einem Dokument an eine Behörde eine strafbare Handlung darstellt oder ob dies im Rahmen der Meinungsfreiheit geschützt ist. Der Vorsitzende Richter Jürgen Schäfer bezeichnete die Rechtsfrage als interessant und stellte in den Raum, wie sich die Situation ändern würde, wenn ein ähnliches Schreiben an eine Privatperson gerichtet wäre.

Das Urteil des BGH wird mit Spannung erwartet, da es weitreichende Implikationen für die rechtliche Handhabung von Holocaustleugnung und Volksverhetzung in Deutschland haben könnte. Der Fall ist nicht nur juristisch bedeutend, sondern berührt auch gesellschaftliche und historische Fragestellungen, die in der deutschen Öffentlichkeit und im rechtlichen Diskurs von großer Relevanz sind.

Die Entscheidung des BGH könnte als Präzedenzfall dienen und die rechtlichen Rahmenbedingungen für die strafrechtliche Verfolgung von Äußerungen, die als Volksverhetzung eingestuft werden, neu definieren. Die Frage, wo die Grenzen der Meinungsfreiheit liegen und wann Äußerungen als strafbar angesehen werden, ist von zentraler Bedeutung für die rechtliche und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema.

Insgesamt zeigt der Fall von Sylvia Stolz, wie komplex und vielschichtig die Thematik der Holocaustleugnung im rechtlichen Kontext ist und wie wichtig es ist, klare und gerechte rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die sowohl die Meinungsfreiheit schützen als auch den Schutz vor Volksverhetzung gewährleisten.

Quellen: Zeit Online, Tagesspiegel, Bayerische Staatszeitung.

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