19.10.2024
Deutschlands Wirtschaft am Scheideweg: Stagnation und Risiken im Fokus
Die deutsche Wirtschaft steht vor einer Herausforderung, die es in dieser Form seit Langem nicht gegeben hat. Ein stagnierendes Wachstum und eine Reihe von wirtschaftlichen Risiken prägen das Bild der größten Volkswirtschaft Europas. Doch wie ist die aktuelle Situation genau zu bewerten, und welche Faktoren spielen dabei eine entscheidende Rolle? Die Aussichten für die deutsche Wirtschaft sind durchwachsen. Nach einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamtes stagnierte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal 2023 im Vergleich zum Vorquartal. Damit entging Deutschland zwar knapp einer Rezession, die definiert ist durch zwei aufeinanderfolgende Quartale mit negativem Wachstum, doch die Lage bleibt angespannt. Besonders die exportorientierte deutsche Industrie spürt den Gegenwind einer schwächeren Weltwirtschaft. Die Nachfrage auf den Weltmärkten hat nachgelassen, was den Exportnationen zu schaffen macht. Dazu kommt die durch die Pandemie und den Krieg in der Ukraine ausgelöste Energiekrise, die mit hohen Energiepreisen und Unsicherheiten in der Versorgung einhergeht. Die hohe Inflation, die im Jahresdurchschnitt 2023 mit 6,0 Prozent veranschlagt wird, belastet sowohl Verbraucher als auch Unternehmen. Steigende Preise für Energie und Lebensmittel dämpfen die Kaufkraft und somit den privaten Konsum, der eine tragende Säule der deutschen Konjunktur ist. Für das Jahr 2024 prognostizieren Experten zwar eine Abschwächung der Inflation auf durchschnittlich 2,4 Prozent, doch bleibt die Teuerung ein Unsicherheitsfaktor. Die Arbeitsmarktsituation verschärft die wirtschaftlichen Sorgen zusätzlich. Die Arbeitslosenquote steigt im Jahresdurchschnitt 2023 auf 5,7 Prozent, was rund 2,6 Millionen Menschen ohne Arbeit entspricht. Für das kommende Jahr wird mit einem weiteren leichten Anstieg auf 5,9 Prozent gerechnet. Dies könnte die Binnenkonjunktur zusätzlich dämpfen. Angesichts dieser Entwicklungen empfehlen Wirtschaftsexperten, wie beispielsweise die Forscher des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), eine vorsichtige Geldpolitik. Die stark restriktive Geldpolitik der großen Notenbanken zur Inflationsbekämpfung könnte die konjunkturelle Flaute weiter verschärfen. Insbesondere die hohen Zinsen dämpfen das Wachstum der Weltwirtschaft und damit auch die deutsche Exportwirtschaft. Politisch wird eine stärkere staatliche Unterstützung des sozial-ökologischen Umbaus der Wirtschaft gefordert. Eine Absicherung gegen anhaltend hohe und stark schwankende Strompreise könnte insbesondere energieintensiven Industrien Entlastung bringen und somit das Wachstum stützen. Die Bundesregierung steht vor dem Spagat, einerseits die Wirtschaft anzukurbeln und andererseits die Haushaltsdisziplin zu wahren. Die Ampelkoalition muss dabei eine Balance finden zwischen notwendigen Investitionen und der Einhaltung der Schuldenbremse. Für die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands bedeutet dies in erster Linie, sich auf eine Zeit einzustellen, in der das Wirtschaftswachstum verhalten bleibt und die Lebenshaltungskosten weiterhin eine Herausforderung darstellen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die konjunkturelle Lage entwickelt und welche Maßnahmen die Politik ergreift, um die Flaute zu überwinden und langfristiges Wachstum zu sichern.
Weitere
Artikel