Deutschlands Wirtschaft schwächelt seit Jahren, wie unter anderem die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (F.A.S.) am 18.11.2024 berichtete. Dies betrifft viele Bereiche des Lebens, von der Wohnungssuche über Arzttermine bis hin zu den Staatsfinanzen. Die Ursachen für diese Misere sind komplex und von einigen Mythen umgeben.
Oft wird die aktuelle Situation als Konjunkturkrise bezeichnet. Die Definition des Wirtschaftsministeriums von Konjunktur als „Schwankungen im Tempo der wirtschaftlichen Entwicklung“ trifft hier jedoch nicht zu. Wie die F.A.S. berichtet, stagniert die deutsche Wirtschaft seit fünf Jahren, während andere Länder, insbesondere die USA, deutlich gewachsen sind. Veronika Grimm, Mitglied im Sachverständigenrat Wirtschaft, sieht die Probleme als strukturell und nicht als konjunkturell bedingt an.
Zu diesen strukturellen Problemen zählt die demografische Entwicklung. Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts, betont, dass die Überalterung der Gesellschaft das Wirtschaftswachstum bremst. Hinzu kommt die Veränderung der globalen Märkte, insbesondere das Verhältnis zu China. Moritz Schularick, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), erklärt, dass sich das weltwirtschaftliche Umfeld verändert hat. Deutschland exportiert mittlerweile mehr nach Polen als nach China und der Wettbewerb, beispielsweise im Maschinenbau, wird durch den Aufstieg Chinas verschärft.
Der Ukrainekrieg und die damit verbundenen Energiepreissteigerungen haben die Sorgen um die deutsche Wirtschaft verstärkt. Die Ursachen liegen jedoch tiefer und reichen weiter zurück, wie die F.A.S. analysiert. Bereits seit 2018 sinkt die Zahl der Patentanmeldungen aus Deutschland. Die Automobilproduktion erreichte ihren Höhepunkt 2017. Die energieintensive Industrie stagnierte bereits ein Jahrzehnt vor dem Ukrainekrieg. Auch die Globalisierung hat sich seit zehn Jahren nicht mehr intensiviert.
Weitere Trends, die auf die 2010er Jahre zurückgehen, sind der Rückgang von Firmengründungen, der Wunsch nach kürzeren Arbeitszeiten und die sinkenden Leistungen deutscher Schüler in Bildungsstudien. Auch der Wohnungsmangel, der die berufliche Mobilität einschränkt, und die anhaltende Investitionsschwäche in Infrastruktur belasten die Wirtschaft. Ein weiteres, noch älteres Problem ist die seit dem Jahr 2000 stagnierende Produktivität, die von EZB-Direktorin Isabel Schnabel als „verpasste IT-Revolution“ bezeichnet wurde.
Die Annahme, dass ein früheres Umschwenken auf Elektromobilität die deutsche Autoindustrie gerettet hätte, ist zu simpel. Wie die F.A.S. berichtet, sind gerade E-Auto-Fabriken von Produktionsrückgängen und Personalabbau betroffen. Der Erfolg hängt nicht nur von der Antriebsart ab, sondern auch von Software, Unterhaltungsangeboten und der Anpassung an die globale Nachfrage.
Moritz Schularick vom IfW betont die Bedeutung der Software für die Wertschöpfung bei E-Autos und sieht die deutsche Autoindustrie hier im Rückstand. Ähnlich äußerte sich der ehemalige EZB-Präsident Mario Draghi in seinem Bericht zum Zustand der EU. Die Zusammenarbeit mit chinesischen Anbietern zur Aufholung dieses Rückstands birgt jedoch neue Risiken, insbesondere durch mögliche Handelskonflikte mit den USA.
Während in den 2000er Jahren die Massenarbeitslosigkeit ein zentrales Problem war, herrscht heute Fachkräftemangel. Dies liegt am demografischen Wandel, wie auch im Artikel "Warum der demografische Wandel uns alle betrifft" der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) erläutert wird. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in Rente, während die nachkommenden Jahrgänge kleiner sind. Dies führt zu Engpässen in vielen Branchen.
Die Auswirkungen des Abschwungs sind regional unterschiedlich verteilt. Während Großstädte weiterhin wachsen, erleben ländliche Regionen, insbesondere im Norden und Osten Deutschlands, einen Bevölkerungsrückgang und Abwanderung junger Menschen. Dies verschärft die bestehenden wirtschaftlichen Probleme in diesen Gebieten.